Kapitel XIV.
De aleatoria
oder
Von der Würfelspielkunst

[74] Diese Kunst ist an sich selbst gleichsam eine Bezauberung, und je mehr man sich dieser befleissigt, je leichtfertiger und unglücklicher kann einer werden; indem durch Begierde, des andern Vermögen zu bekommen, man das seinige verlieret. Diese Kunst ist die rechte Mutter der Lügen, Falschschwürigkeit, Diebstahls, Zänkereien und der Totschläge, ja eine Erfindung von den bösen Geistern, welche bei Einnehmung des Reiches Asiae mit der Beute auf allerhand Art zu den Griechen gekommen ist. Dahero die Tesserae, Calculi, Tricolus, Senio, Monarchus, Orbiculi, Taliarchus, Vulpes, Octoedron, Duodecaedron und andere Teufelspossen, darinnen etwas Sonderliches stecken soll, sind an Tag gekommen. Es wird gesagt, dass Attalus Asiaticus diese Kunst erfunden und von der Kunst zu zählen ausgedacht habe.

Von Römern aber haben wir, dass der Kaiser Claudius, welcher Kunst er auch selbst und vor ihm Kaiser Augustus, und also beide sehr sind ergeben gewesen, ein Buch davon geschrieben habe. Es ist eine Kunst, die ganz unehrlich ist, und bei allen Völkern in ihren[74] Gesetzen verboten. Dahero als Cobilon, ein Lazedämonier, nach Corinth als ein Gesandter, um ein Bündnis mit der Stadt zu schliessen, gereiset, und er gesehen, dass die Vornehmsten in Corinth im Brette gespielt, ist er gleich unverrichter Sachen wieder umgekehret und gesaget: Er wolle der Spartaner Ehre mit dieser Schande nicht beflecken, dass man nicht sagen könnte, er hätte mit solchen Würfelspielern ein Verbündnis gemacht. Ja diese Kunst ist bei Grossen für ein solche Schande gehalten worden, dass dem König Demetrio nur zum Schimpf von dem Parther-Könige sind güldene Würfel geschickt worden. Und gleichwohl ist heutiges Tages dieses Spiel unter Königen und Edlen das gemeinste. Ja, was sage ich ein Spiel, ja wohl eine Weisheit derjenigen, welche nichts anders suchen als zu betrügen.[75]

Quelle:
Agrippa von Nettesheim: Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaften und die Verteidigungsschrift. München 1913, Band 1, S. 74-76.
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