Kapitel XXV.
De statuaria et plastica
oder
Von der Bildhauereikunst

[101] Der Malerkunst Gefährte ist die Bildhauerei, gegossen oder gehauen, eine Kunst eines ungestümen Nachsinnens, welche auch unter die Baukunst kann gezählet werden. Diese Kunst macht aus Holz, Stein und Elfenbein Götzen, und aus Erdenklössen gewisse Formen.

Aber alle diese Künste nebst der Malerei, welche zu nichts anderes als zur Pracht, Üppigkeit und Aberglauben dienen, sind eine rechte Erfindung von bösen Geistern; deren Meister sind gewesen, welche erstlich nach S. Pauli Worten die Ehre des unsterblichen Gottes verwandelt in ein Bild eines sterblichen Menschen, in Vögel oder vierfüssige Tiere und Schlangen, welche wider Gottes Gebot die geschnitzten Götzen und Bildnisse, sowohl derjenigen Sachen, welche auf Erden als im Himmel sind, zu setzen, als einen schändlichen Götzendienst eingeführet haben, von welchen der weise Salomon saget: Idolum ipsum maledictum est et qui fecit illud et quod factum est, tormenta patientur. Das ist: Des Fluches wert ist das, so mit Händen geschnitzet wird, sowohl als der, der es[101] schnitzet. Denn Gott ist beiden gleich feind, und wird das Werk samt dem Meister gequälet werden. Denn der Menschen Eitelkeit, wie er saget, hat diese Kunst erfunden zur Versuchung der Menschen und zur Falle der Unweisen, und ihre Erfindung ist ein Verderben des Leidens. Nichts aber desto weniger sind wir Christen vor andern Heiden so närrisch, dass wir zum höchsten Verderb unserer Sitten und guten Lebens in allen Sälen, Häusern und Kammern solche zu setzen uns nicht schämen, damit ja durch dergleichen leichtfertige Bilder unsere Weiber und Töchter zur Wollust angereizet werden möchten; ja wir führen auch solche in unsern Kirchen, Kapellen und Altären mit grösster Ehrerbietung, nicht ohne Gefahr des Götzendienstes ein. Aber von dieser Materie wollen wir bei dem Kapitul von der Religion weitläuftiger reden und disputieren.

Dass aber in den Bildern und Statuen etwas Sonderliches stecke, welches nicht zu verachten, das habe ich in Italien gelernet. Denn als die Augustinermönche mit den Canonicis Regularibus vor dem römischen Papste selbst von des heiligen Augustini Kleidung heftig stritten, nämlich, ob er einen schwarzen Rock überm weissen Leibrock, oder einen weissen über den schwarzen hätte angezogen, und man aus den Schriften diese Sache zu schlichten nichts finden konnte, so ist es für gut befunden worden, diese Sache den Malern und Bildschnitzern zu übergeben, und was diese den alten Gemälden und Statuen nachsagen würden, dabei sollte es bleiben.

Durch dieses Exempel bin ich auch konfirmiert worden. Denn als ich einstmals mit sonderbarem Fleisse den Ursprung der Mönschskappen erforschen wollte, und in den Schriften nichts finden konnte, so begab ich mich endlich zu den Malern, und ging in der Mönche Kreuzgänge, da meistenteils das Alte und Neue Testament[102] abgemalet ist, und dachte der Sache nach, und als ich im ganzen Alten Testament keinen Priester noch Propheten, noch den Eliam selbst, welchen die Karmelitaner zu ihrem Patron gemachet, der eine Mönchskappe hätte, sahe, so betrachtete ich das Neue Testament, da funde ich Zachariam, Simonem, Johannem den Täufer, Josephum, Christum, die Apostel und Discipul, die gelehrten Pharisäer und Hohenpriester, den Caipham, Hannam, den Herodem, Pilatum und viel andere mehr. Ich fand aber noch bei keinem eine Kutte oder Mönchskappe, da dachte ich den Sachen weiter nach und funde bei der abgemalten biblischen Historie den Teufel in einer solchen Kutte oder Mönchskappe abgemalet, nämlich diesen, der den Herrn Christum in der Wüste versuchet. Da entstunde bei mir eine sonderbare Freude, dass ich das, was ich in den Schriften nicht finden konnte, bei diesem Gemälde gefunden hätte; nämlich, dass der Teufel der erste Erfinder einer solchen Mönchskappe sei, von welchem hernach die andern Mönche und Brüder diese, nur mit andern Farben, entweder geborgt oder dieselben als ein Erbteil von ihm vermacht worden wäre.[103]

Quelle:
Agrippa von Nettesheim: Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaften und die Verteidigungsschrift. München 1913, Band 1, S. 101-104.
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