Kapitel XXVI.
De specularia
oder
Spiegelkunst

[104] Aber nun kommen wir wieder auf die Optik, welche zu der Spiegelkunst nicht wenig hilft, indem sie die Wirkungen und Betrügereien anzeiget, welche aus vielen Arten der Spiegel entstehen, als da sind die hohlen, die runden, die platten, die hohen, die pyramidalischen, die spitzigen, die erhöheten, die eckigten, die umgekehrten, die durchsichtigen und dergleichen mehr. Also lesen wir bei dem Coelio, dass zu Zeiten des Augusti Hostius, sonsten ein unflätiger Mann, eine Art Spiegel gemacht, der ein Bild viel grösser repräsentiert hat, also, dass ein Finger die Grösse und Dicke eines Armes übertroffen; so ist auch ein Spiegel gewesen, da einer eines andern und nicht sein Bildnis gesehen hat, auch wieder ein anderer, der nichts präsentieret hat, wenn er nicht an einen gewissen Ort ist getragen worden; wiederum eine andere Art, die von einer Sache viel Bilder vorgestellet, noch eine andere, die wider des Spiegels Eigenschaft, was rechtisch gewest ist, auch rechtisch, und was linkisch gewesen ist, linkisch gewiesen hat. Es sind auch Brennspiegel hinten und vorn, und welche[104] die Strahlen weit in die Luft werfen, und dergleichen noch viel andere, welche wir heutigen Tages, dass sie verfertig werden, zu sehen bekommen.

Es haben auch die Perspektivspiegel ihre Betrügereien, nämlich, dass sie eine kleine Sache gross und eine grosse klein, nahe und weit, über und unter sich zu unterschiedlichen malen, mit allerhand Farben, einem Regenbogen gleich, repräsentieren. Und ich verstehe mich darauf, Spiegel zu machen, in welchen bei hellem Sonnenschein alles dasjenige, was damit überstrahlet wird, über drei oder vier Meilen vollkommen kann gesehen werden; und dieses ist in den ebenen Spiegeln zu verwundern, dass sie eine Sache, wenn sie klein sind, wohl kleiner, aber wenn sie noch so gross sind, niemals grösser als sie selbsten ist, repräsentieren, welches der Augustinus bei sich betrachtet hat, indem er an den Nebridium geschrieben, dass hierunter etwas Sonderliches verborgen liegen müsste. Aber was es ist, es ist doch eitel und nichts nütze, auch nur zur Pracht und Belustigung erfunden. Von Spiegeln haben sowohl viel Griechen als Lateiner geschrieben, unter welchen allen Vitellius der beste ist.[105]

Quelle:
Agrippa von Nettesheim: Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaften und die Verteidigungsschrift. München 1913, Band 1, S. 104-106.
Lizenz:
Kategorien: