301

[533] Es scheint ein älteres Lied (1-5) durch einen späteren Dichte, der absichtlich in dunkeln, geheimnissvollen Worten redet, fortgesetzt; doch gehört das ganze Lied schon der ursprünglichen Sammlung an.


1. Wie mögen wir vereint dem Männerhorte | das grosse Licht dem gnäd'gen Agni weihen? | Mit seiner hohen ausgewachsnen Grösse | nun trag' er's wie den Ueberhang der Pfeiler [d.h. das Licht durch das Agni entzündet ist, dass soll er nun, wenn er zu seiner vollen Grösse erwachsen ist, zum Himmel emportragen].

2. Nicht schmähet den, der diese grosse Gabe | dem Sterblichen der Gott als Herrscher schenkte, | dem Thoren er, der kluge ew'ge weise, | der Männerhort, der kühne, rasche Agni.

3. Der zwiefach starke, scharfgezackte Agni, | der mächtg'e Stier, der tausendsam'ge, kennend | das Preislied, wie der Kuh verborgne Stätte, | er soll mich nun die rechte Weisheit lehren.

4. Verzehren soll der scharfgezahnte Agni | mit schärfster Glut, er welcher gern gewähret, | die, welche brechen Varuna's Gebote, | des weisen Mitra feste, vielgeliebte.

5.9 Die lüstern sind, wie bruderlose Jungfraun | wie böse Weiber, die den Gatten hassen, | die ungerechten, lügenhaften Frevler | sie sind bestimmt für jene tiefe Stätte [die Unterwelt, den Tartarus].

6.10 Wer bin ich, dass du, o flammender Agni, mir, der ich [die Gebote der Götter] nicht verletze, dies grosse, tiefe Andachtslied, wie eine schwere Last, kühnlich aufgelegt hast, das ausgedehnte,[533] siebentheilige, begehrte [wenn pṙṣtám, wie ich vermuthe, statt des seltsamen pṙṣthám gelesen wird] nach deiner Huld.

7. Ihn, denselben, möge zugleich dies Andachtslied erreichen, das durch Weisheit aufklärt, und das theure der gefleckten Kuh [die Milch oder die Butter] das auf des Grases Decke [die Streu] eilend strömt (?), sich vertheilend vor dem Stier (?).

8. Was soll ich verkünden von diesem Wort? Das ins Verborgene gesetzte reden sie [etwa die weisen Götter oder Angirasen, denen der Sänger lauscht] im Geheimen. Wenn sie es erschliessen wie den Thau der Morgenröthen, dann bewahrt der Gipfel der Kuh [die Oberfläche der Erde] die Fussspur des Vogels [des zum Himmel auffliegenden Feuers (?)].

9. Und diesen grossen Lichtschein der grossen [Flammen], den uralten, welchem die rothe Kuh [die Morgenröthe] nachging, der an des heiligen Werkes Stätte leuchtet, den fand sie auf im Verborgenen den schnellströmenden, eilenden (?).

10. Da nahm wahr der glänzende [Agni] vor der Aeltern [Himmel und Erde] Angesicht das theure verborgene der gefleckten Kuh [die Milch oder Butter Vers 7]; das, was sich befand am herrlichsten Orte der Kuh, ergriff die Zunge des Stieres, der vorgestreckten Flamme (?).

11. Gefragt verkünd' ich demuthsvoll die Wahrheit | auf dein Geheiss, wenn's eintrifft, Wesenkenner; | du herrschest über allen diesen Reichthum, | der in dem Himmel ist und auf der Erde.

12. Welch Gut davon und welch Geschenk uns sein soll, | das künd' uns, der du's weisst, o Wesenkenner; | zum letzten Ziel des Weges sind wir heimlich | gekommen wie zu leerem Ort, verhöhnet (?).

13. Was ist das Merkmal, Zeichen, was der Kampfpreis? | lasst hin uns gehn wie Renner nach dem Preise; | wann werden uns die Göttinnen bestrahlen | mit Sonnenglanz die Gott-vermählten Morgen?

14. Die sich nicht freuen ihres schwachen Liedes, | des abgebrochenen, flüchtigen und matten, | was sprechen sie denn hier zu dir? o Agni; | den Opferlosen falle Lug und Trug zu.

15. Zu dieses Stieres, des entflammten, Schmucke | erstrahlte hell des guten Glanz im Hause; | in Licht gehüllt und schön zu sehn erglänzte | der gabenreiche wie ein Sitz des Schatzes.

Quelle:
Rig-Veda. 2 Teile, Leipzig 1876, [Nachdruck 1990], Teil 1, S. 533-534.
Lizenz: