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[545] Ein gekünsteltes, vielfach dunkles Lied. Die zweite Zeile eines jeden Verses schliesst mit dem Worte evayâmarut, was überall ohne jede syntaktische Verbindung erscheint, und dessen Deutung sehr schwierig ist. Das Lied ist an Vischnu und die Maruts, die hier als seine Begleiter (wie sonst des Indra) aufgefasst werden, gerichtet; cvayâ »der eilende« ist Beiname des Vischnu (156, 1), und es liegt daher nahe, mit Veränderung der Betonung evayāmarut als Vocativ in dem Sinne: o eilender Vischnu und Marut (d.h. Marutschar) zu nehmen; allein auch dies widerstrebt, wie überhaupt jede vocativische Auffassung, dem Zusammenhange. Es bleibt daher kaum etwas anderes übrig, als in diesem Compositum einen zusammengerückten Satz anzunehmen etwa in dem Sinne »eilend (wie Vischnu) ist die Marutschar« oder »der eilende Vischnu ist der wahre Marut (Herr der Maruts)«.


1. Vor mögen schreiten eure in der Höhe entsprungenen (?) Lieder zu dem grossen, von den Maruts umgebenen Vischnu | Evajāmarut, | vorschreiten zu der ringgeschmückten Schar, der kräftig vordringenden, starken, die in glänzendem Zuge dahineilt, und brausend wirkt, der mächtigen.

2. Die geboren sind in Herrlichkeit und die nun selbst durch Weisheit sich kundgeben | Evajāmarut |; durch Kraft kann man sich nicht an eure Macht heranwagen; durch Freigiebigkeit und Grösse ist diese ihre Macht [ausgezeichnet?] unbezwinglich, wie Felsen sind sie.

3. Die vom hohen Himmel her mit ihrer Stimme sich hören lassen, die sehr leuchtenden, gewaltigen | Evajāmarut |; in deren Sitz kein Zwingherr seine Herrschaft übt, die selbst funkeln wie Flammen und eilen unter den brausenden (?).

4. Der weithinschreitende [Vischnu] schritt hervor aus dem grossen gemeinsamen Sitze | Evajāmarut |, nachdem er aus eigner Macht mit sich verbunden hat auf den Berggipfeln die wetteifernden, glänzenden, kommt er segnend mit seinen Mannen.

5. Gleich eurem ungestümen Lärm erschüttert der gewaltige Stier [Vischnu] der schnelle, kräftige | Evajāmarut |, mit dem sie siegreich vordringen, selbstleuchtend, mit festen Zügeln, goldgeschmückt, schönbewaffnet, die stürmenden.

6. Unbegrenzt ist eure Grösse, o hochgewaltige; hülfreich sei eure ungestüme Macht | Evajāmarut, | denn ihr seid Helfer in der Noth an nahem Ort; so schaffet Raum uns vor dem Feind, die ihr wie Flammen leuchtet.

7. Die Kampfeshelden, die wie Flammen strahlen, die sehr glänzenden mögen hülfreich sein | Evajāmarut; | ihr Sitz auf Erden breitet sich aus lang und breit, der fleckenlosen, bei deren Zügen sich des grossen [Vischnu] Scharen zeigen.

8. Holdgesinnt kommt, o Maruts, zu unserm Gesange; hört den Ruf des Sängers | Evajāmarut; | des grossen Vischnu Mannen, o ihr reich muthigen, verjagt zusammt die Feinde weit hinweg, wie Wagenkämpfer mit Wunderkraft.[545]

9. Kommt zu unserm Opfer, o opfernswerthe, mit sorgsamem Eifer, hört unser treues Rufen | Evajāmarut; | ihr wie die höchsten Berge im Himmelsraum, o weise, mögt unüberwindlich dem Feinde sein.

Quelle:
Rig-Veda. 2 Teile, Leipzig 1876, [Nachdruck 1990], Teil 1, S. 545-546.
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