Der Inhalt der umfangreichen Brâhmanatexte ist so ausschließlich theologischen Zwecken zugewendet, daß er nur wenig über die Anfänge des philosophischen Denkens in Indien lehrt. Sie gehen vom Ritual aus, erwähnen alles nur in dieser Beleuchtung und münden in das Ritual. Man kann ihre Darlegungen als die Lehre vom Opfer bezeichnen, über die Sylvain Lévis Schrift ›La doctrine du sacrifice dans les Brâhmanas‹ (Paris 1898) eingehender unterrichtet. Selbst die moralische Kraft Varunas, der die Sünde des Menschen rächt, erscheint dort nur in dem Netzwerk des sakrifikalen Gewebes und bleibt hineingebannt. Sylvain Lévi hat die Stellen gesammelt, die den Begriff des ›Wahren‹ erläutern. Sie sagen, daß das Heilige, Wahre das Opfer sei; die Wahrheit sei die dreifache Wissenschaft, nämlich die drei Veden, Brahman sei die Wahrheit des Wortes, die heiligen Silben bhûr, bhuvar, svar seien die Wahrheit. Es gebe nur zwei Dinge, kein drittes: Wahrheit und Unwahrheit, die Wahrheit als Begleiterscheinung der Götter, die Unwahrheit als das Wesen der Menschen; wer den Weg der Götter gehe, gehe den Weg der Wahrheit. Aber von solchen Äußerungen zeigt sich nur selten ein Pfad zu einer freieren und vom Ritual unabhängigen Auffassung, die die Verfasser über dessen Kreis hinausgeführt hätte; vielmehr nehmen wir wahr, daß das spekulative Interesse sich mit solchen Betrachtungen schnell erschöpft und wieder in die Opferausdeutung zurücksinkt, daß Gedanken, die hier oder da auf keimen und wahrscheinlich in größerem Umfange, als es den Anschein hat, aufgekeimt sein werden, für sie nur insoweit Bedeutung gehabt und Aufnahme gefunden haben, als sie zum Ritual sich in engere oder losere Beziehung setzen lassen. Einige Proben sind im folgenden gegeben, die nicht ohne Tiefe der Auffassung sind.[31]

Quelle:
Upanishaden. Altindische Weisheit aus Brâhmanas und Upanishaden. Düsseldorf/Köln 1958, S. 29,32.
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