A. Die Grundlagen

[46] Der Weg der großen Wissenschaft besteht darin, die klaren Geisteskräfte zu klären, die Menschen zu lieben und das Ziel sich zu setzen im höchsten Guten.

Wenn man sein Ziel kennt, so hat man Festigkeit; hat man Festigkeit, so bekommt man Ruhe; hat man Ruhe, so bekommt man Sicherheit; hat man Sicherheit, so kann man nachdenken; durch Nachdenken erreicht man (das Ziel).

Die Dinge haben Wurzel und Verzweigungen; die Arbeiten haben Ende und Anfang. Wenn man erkennt, was früher kommt und was später, so nähert man sich dem rechten Weg.

Indem die Alten auf der ganzen Erde die klaren Geisteskräfte klären wollten, ordneten sie zuerst ihren Staat; um ihrer Staat zu ordnen, regelten sie zuerst ihr Haus1; um ihr Haus zu regeln, bildeten sie zuerst ihre Persönlichkeit; um ihre Persönlichkeit2 zu bilden, machten sie zuerst ihr Bewußtsein recht; um ihr Bewußtsein recht zu machen, machten sie zuerst ihre Gedanken wahr; um ihre Gedanken wahr zu machen, brachten sie zuerst ihre Erkenntnis aufs höchste. Die höchste Erkenntnis besteht darin, daß die Wirklichkeit3 beeinflußt wird.

Nur wenn sie die Wirklichkeit beeinflußt, dann erst ist die[46] Erkenntnis auf ihrer Höhe; wenn die Erkenntnis auf ihrer Höhe ist, dann erst werden die Gedanken wahr; wenn die Gedanken wahr sind, dann erst wird das Bewußtsein recht; wenn das Bewußtsein recht ist, dann erst wird die Persönlichkeit gebildet; wenn die Persönlichkeit gebildet ist, dann erst wird das Haus geregelt; wenn das Haus geregelt ist, dann erst wird der Staat geordnet; wenn der Staat geordnet ist, dann erst kommt die Welt in Frieden.

1

Haus = Familie (Gia). Die Familie ist von der europäischen Kleinfamilie wohl zu unterscheiden. Es ist die patriarchalische Großfamilie hier vorausgesetzt, die ihre natürliche Zusammenfassung im patriarchalischen Staat findet.

2

Die Persönlichkeit wird vom Bewußtsein aus geleitet. Wenigstens ist der Weg durch das Bewußtsein der einzige, der uns zur Verfügung steht, da eine unmittelbare Einwirkung auf das Unbewußte nicht möglich ist. Das Bewußtsein (Sin, wörtlich Herz) wird aber seinerseits beherrscht von den aktiven Gedankenmassen, die sich in seinem Umkreis bewegen. Die Gedanken sind die letzten Einheiten des bewußten Seelenlebens, und um das Seelenleben zu lenken, ist es nötig, den Gedanken die rechte Richtung zu geben. Das geschieht, indem man sich von allem Wahn und Selbstbetrug, solchem, der auf Feigheit beruht, ebenso wie solchem, der aus Trägheit stammt, losmacht, indem man den Gedanken die rechte Richtung verleiht. Die energische Richtung der Gedanken auf das Ziel heißt Erkenntnis. Man muß daher energisch und konsequent auf dieser Erkenntnistätigkeit, die nicht aufhört, bis sie so weit gekommen ist, wie menschenmöglich ist, beharren, um den Gedanken das innere Schwergewicht und die Kraft der Wahrheit zu geben, durch die sie dem Seelenleben eine entschiedene Richtung mitzuteilen imstande sind. Diese Richtung aber führt zur Beeinflussung der Wirklichkeit.

3

Wang Tschuan Schan vergleicht die vorhergehenden Tätigkeiten mit säen und pflanzen, während er die Beeinflussung der Wirklichkeit als den nährenden Boden betrachtet, in dem die Persönlichkeit Wurzel treiben soll.

Quelle:
Li Gi. Düsseldorf/Köln 1981, S. 46-47.
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