1. Notwendige Verschwiegenheit des Fürsten

[126] Der Herzog sprach: »Heute habe ich ein wenig Zeit. Darf ich mit Euch über meine Gefühle sprechen?« Der Meister wurde sehr ernst, verließ die Matte, lehnte ab und sprach: »Ein Fürst darf über seine Gefühle nicht mit einem Beamten sprechen. Ein Beamter mag bitten, über seine Gefühle mit dem Fürsten sprechen zu dürfen. Der Fürst darf es nicht.«

Der Herzog sprach: »Da ich Euch doch als Meister verehre, ist es etwas anderes, wenn ich Euch als einem persönlichen Bekannten gegenüber meine Gefühle äußere.«

Der Meister sprach: »Nein. Der Beamte dient dem Fürsten, und wenn er ihm seine Gefühle nicht sagte, so benähme er sich nicht als Beamter. Wenn aber der Fürst einem Beamten gegenüber seine Gefühle äußert, so ist das nicht fürstlich. Wenn ein Beamter sich nicht als Beamter benimmt, so geht das noch. Wenn aber ein Fürst nicht fürstlich ist, so weiß das Volk nicht, wie es Hand und Fuß bewegen soll.«

Quelle:
Li Gi. Düsseldorf/Köln 1981, S. 126.
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