9. Der Weg des Himmels

[232] Der Herzog sprach: »Darf ich fragen: Was schätzt der Edle an dem Weg des Himmels so hoch?«

Meister Kung erwiderte: »Er schätzt seine Unerschöpflichkeit. Wie Sonne und Mond einander folgen von Westen nach Osten2 und sich nicht erschöpfen: das ist der Weg des Himmels. Nie wird ihre Dauer unterbrochen: das ist der Weg des Himmels. Ohne zu handeln, vollendet diese Unerschöpflichkeit alle Wesen: das ist der Weg des Himmels. Sind sie vollendet, so erleuchtet sie sie: das ist der Weg des Himmels.«

Der Herzog sprach: »Ich bin töricht und unwissend. Macht es meinem Herzen noch klarer.«

Meister Kung wurde ernst, stand von der Matte auf und erwiderte: »Der sittlich gute Mensch geht in keinem Ding zu weit. Der ehrfurchtsvolle Sohn geht in keinem Ding zu weit. Der sittlich gute Mensch dient den Eltern, wie er dem Himmel dient, und dient dem Himmel, wie er den Eltern dient. Darum vollendet der ehrfürchtige Sohn seine Persönlichkeit.«

Der Herzog sprach: »Nachdem ich diese Worte gehört habe, hoffe ich nur, daß ich mich nie wieder dagegen versündige.«

Meister Kung erwiderte: »Daß Ihr dies Wort gesprochen habt, Fürst, ist das Glück Eures Knechtes.«

2

Die Sonne vollendet ihren west-östlichen Lauf durch den Tierkreis in einem Jahr, der Mond seinen west-östlichen Lauf durch die Mondhäuser in einem Monat. Daher holt er jeden Monat einmal die Sonne ein.

Quelle:
Li Gi. Düsseldorf/Köln 1981, S. 232-233.
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