6. Mann und Frau

[272] Mann (Nan Dsï) bedeutet der »Verantwortliche« (Jen); Sohn (Dsï) bedeutet der »Nachwuchs« (Dsï). Ein Mann heißt der, der dem Weltsinn von Himmel und Erde gegenüber die Verantwortung übernimmt und allen Dingen als Führer zu dem für sie Rechten vorsteht. Darum heißt er der männliche Führer (Dschang Fu). Führen (Dschang) bedeutet walten (Dschang); männlich (Fu) bedeutet tragen (Fu). Das heißt: Er waltet über allen Dingen.

Er weiß, was man tun darf, und weiß, was man nicht tun darf; er weiß, was man reden darf, und weiß, was man nicht reden darf; er weiß, wie man handeln darf, und weiß, wie man nicht handeln darf. Wenn er irgendeine Theorie untersucht, so ist er über ihre Besonderheiten klar. Das nennt man Wissen. Dadurch bringt er seine Geisteskräfte in Ordnung.

Frau (Nü Dsï) bedeutet die »Ähnliche« (Ju); Sohn bedeutet der »Nachwuchs«. Die Frau ist also die, die durch Belehrung dem Mann »ähnlich« wird, der über dem Aufbau ihrer Pflichten waltet. Darum heißt sie Ehefrau (Fu Jen). Ehefrau (Fu Jen) ist die dem Manne Unterworfene (Fu Yü Jen). Darum hat sie nicht das Recht auf selbständige Entscheidung, sondern die Pflicht zu dreifachem Gehorsam. Zu Hause ist sie dem Vater unterworfen, in der Ehe dem Gatten und nach dem Tode des Gatten dem ältesten Sohn. Sie wagt in nichts ihrem eigenen Kopf zu folgen. Ihre Befehle dringen nicht über die inneren Gemächer hinaus. Ihre Beschäftigung beschränkt sich auf Zubereitung des Essens. Darum hält sich die Frau den ganzen Tag innerhalb der Tore der Innengemächer auf. Sie begibt sich zu keiner Beerdigung, die über hundert Li weit ist (damit sie nicht auswärts übernachten muß). In ihrer Arbeit kennt sie kein eigenmächtiges Handeln, in ihrem Tun kein eigenmächtiges Werk. Sie berät sich, ehe sie sich bewegt, und prüft, ob es richtig ist, ehe sie redet. Bei Nacht geht sie nur mit Laterne. Die Seidenraupenzucht und das[272] Spinnen und Weben besorgt sie, und die Haustiere zieht sie innerhalb des Hauses auf. Das heißt ihre Zuverlässigkeit. Dadurch bringt sie die weiblichen Geisteskräfte in Ordnung.

Quelle:
Li Gi. Düsseldorf/Köln 1981, S. 272-273.
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