1. Das Opfer im Kreislauf des Jahres

[275] Die Opfer sollen nicht zu häufig sein, sonst werden sie lästig, und ihre Feierlichkeit wird beeinträchtigt. Sie sollen aber auch nicht zu selten sein, sonst wird man träge und vergißt die Toten. Darum richtet sich der Edle nach dem Lauf der Natur und bringt das Frühlings- und das Herbstopfer dar. Wenn im Herbst der Reiftau fällt und der Edle sieht ihn zu seinen Füßen, so bekommt er ein Gefühl der Wehmut, das nicht die Kälte zur Ursache hat. Wenn im Frühling der Frühregen das Land feuchtet und er sieht ihn zu seinen Füßen, so erwacht in ihm ein Gefühl der Sehnsucht, als ob er seine Abgeschiedenen wiedersehen könnte. Man macht fröhliche Musik, wenn man Kommende empfängt, und ist traurig, wenn man Scheidende begleitet. Darum hatte das Frühlingsopfer Musikbegleitung, das Herbstopfer aber nicht.

Quelle:
Li Gi. Düsseldorf/Köln 1981, S. 275.
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