Meister Kung bei Lau Dsï

[300] Dsong Dsï fragte: »Wenn bei einer Beerdigung der Sarg schon unterwegs ist und es tritt eine Sonnenfinsternis ein, ändert man da die Veranstaltung?«

Meister Kung sprach: »Ich bin einmal mit Lau Dan1 bei einer Beerdigung auf dem Lande gewesen. Als wir unterwegs waren, trat eine Sonnenfinsternis ein. Da sprach Lau Dan: ›Kiu, wir wollen den Sarg rechts vom Weg niederstellen lassen, warten und am Sarge weinen, um das Ereignis abzuwarten. Wenn das Licht wieder zurückgekehrt ist, wollen wir weitergehen.‹ Er sagte, das sei die Sitte. Als wir vom Begräbnis zurückkamen, da fragte ich ihn: ›Mit einem Sarg soll man nicht umkehren. Wenn eine Sonnenfinsternis kommt, so wissen wir nicht, wie lange sie dauern wird; wäre es da nicht besser, voranzugehen?‹ Lau Dan sprach: ›Wenn die Fürsten zu einer Audienz beim Himmelssohn reisen, so sind sie nur unterwegs, solang man die Sonne sieht. Bei Sonnenuntergang übernachten sie und opfern (den Geistern des Wegs). Wenn Großwürdenträger auf einer Gesandtschaft sind, so reisen sie auch bei Tage, und bei Sonnenuntergang übernachten sie. Wenn man mit einem Sarg nicht frühmorgens aufbricht, so kommt es auch vor, daß man übernachten muß. Wenn man die Sterne sieht, reisen nur Verbrecher und solche, die zur Beerdigung der Eltern eilen. Wenn eine Sonnenfinsternis ist, wie kann man wissen, ob man nicht die Sterne sehen wird? Und ferner wird ein Edler durch die Ausführung von Sitten nicht die Eltern anderer Leute dem Unglück oder Übel aussetzen.‹ So habe ich von Lau Dan gehört.«

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Aus dieser Begegnung mit Lau Dsï (Laotse) kann man wegen der Sonnenfinsternis die Zeit ausrechnen. Unter Berücksichtigung aller Umstände kommen wir auf das Jahr 518 v. Chr. (vgl. Hu Schï, Geschichte der chin. Philosophie I).

Quelle:
Li Gi. Düsseldorf/Köln 1981, S. 300.
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