10. Die Lebensalter. Unterricht

[329] Die Amme eines Kindes kehrt nach drei Jahren in ihre Heimat zurück; vorher meldet sie sich im Hauptgebäude, und der Hausherr entläßt sie mit einer Belohnung ...

Wenn ein Kind selbst essen kann, so unterweist man es, die rechte Hand beim Essen zu gebrauchen. Wenn es sprechen kann, so lehrt man die Knaben ein rasches, bestimmtes Jawohl und die Mädchen ein gehorsames und zartes Gewiß sagen. Der Knabe bekommt einen Ledergürtel, das Mädchen einen aus Seide.

Mit sechs Jahren lehrt man sie die Zahlen und die Namen der Weltgegenden. Vom siebenten Jahr an sitzen Knaben und Mädchen nicht mehr auf derselben Matte und teilen nicht mehr das Essen. Mit acht Jahren lehrt man die Kinder beim Aus- und Eingehen, Niedersitzen, Essen, den Älteren den Vortritt zu lassen; man beginnt, sie in der Höflichkeit zu unterrichten. Mit neun Jahren lehrt man sie die Tage zählen (die Vollmond- und Neumondtage sowie den Sechzigerzyklus). Mit zehn Jahren verlassen die Knaben das (Frauen-) Haus und werden außerhalb von einem Lehrer unterrichtet. Sie bleiben auch die Nächte über außerhalb (der Frauengemächer). Sie lernen schreiben und rechnen; sie kleiden sich nicht in seidene Untergewänder und Hosen; sie lernen die Anfangsgründe der Sitte; früh und spät üben sie sich in den Regeln für Schüler und bitten ihren Lehrer um Anweisungen im Lesen der Bambustafeln und in der Aufrichtigkeit.

Mit dreizehn Jahren lernen sie Musik, Liedersingen; sie lernen den Dscho-Tanz; als reifere Knaben (von fünfzehn bis[329] neunzehn Jahren) lernen sie den Siang-Tanz, Bogenschießen, Wagenfahren. Mit zwanzig Jahren findet die Männerweihe statt. Von da ab beginnt man die Sitten zu lernen; man kann sich von jetzt ab in Pelz und Seide kleiden. Man übt den großen Da-Hia-Tanz ein mit seinen Tanzfiguren. Man übt Kindesehrfurcht und Brüderlichkeit; man wendet sich einem vielseitigen Studium zu, aber lehrt noch nicht selbst. Man sammelt noch immer und übt noch nicht aus.

Mit dreißig Jahren hat man einen eigenen Hausstand. Man beginnt, sich mit männlichen Angelegenheiten zu beschäftigen (Beaufsichtigung der Arbeiter usw.). Man eignet sich eine ausgedehnte Allgemeinbildung ohne Spezialistentum an. Im Verkehr mit seinen Freunden achtet man auf die rechte Gesinnung. Mit vierzig Jahren beginnt man, in ein Amt einzutreten. In den Spezialangelegenheiten, die einem obliegen, denkt man Pläne aus und überlegt sie. Wenn sie mit dem rechten Weg vereinbar sind, so führt man sie aus; wenn sie nicht geeignet sind, so läßt man sie fallen. Mit fünfzig Jahren wird man zum Großwürdenträger ernannt und übernimmt seinen Teil an der Verantwortung für die amtliche Regierung. Mit siebzig Jahren zieht man sich vom Amt zurück.

Die Mädchen verlassen vom zehnten Jahr an nicht mehr die inneren Gemächer. Die Erzieherinnen unterweisen sie in Grazie, in Wort und Haltung, Fügsamkeit und Gelehrigkeit. Sie lernen den Hanf behandeln, die Seidenfäden der Cocons schlichten, Gewänder weben, Bänder weben und Schnüre flechten. Sie lernen die Frauenarbeiten, um für die Kleidung sorgen zu können. Sie schauen beim Opfer zu und lernen es, Wein, Sauce, Platten aus Bambus und aus Holz, Salzgemüse und Essigeingemachtes richtig aufzustellen und bei den Riten im Darbringen der Gaben behilflich zu sein.

Mit fünfzehn stecken sie sich das Haar auf (entsprechend der Männerweihe), mit zwanzig werden sie verheiratet ... Findet eine Hochzeit statt, so wird das Mädchen Hauptfrau; wenn sie ohne Feier Aufnahme findet, so wird sie Nebenfrau.[330]

Quelle:
Li Gi. Düsseldorf/Köln 1981.
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