Viertes Bruchstück

[661] Und der ehrwürdige Aṉgulimālo, zeitig gerüstet, nahm Mantel und Schale und ging nach Sāvatthī um Almosenspeise. Da sah der ehrwürdige Aṉgulimālo, als er auf der Straße von Haus zu Haus um Almosen stand, irgendein Weib: die hatte eine Frühgeburt, eine Fehlgeburt getan. Als er das gesehn gedacht' er bei sich: ›Übel steht es, wahrlich, um die Wesen, übel steht es, wahrlich, um die Wesen!‹ – Und als der ehrwürdige Aṉgulimālo, von Haus zu [661] Haus tretend, Almosen erhalten, kehrte er zurück, nahm das Mahl ein und begab sich dann dorthin wo der Erhabene weilte. Dort angelangt begrüßte er den Erhabenen ehrerbietig und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprach nun der ehrwürdige Aṉgulimālo zum Erhabenen also:

»Ich war da, o Herr, zeitig gerüstet, mit Mantel und Schale versehn, nach der Stadt gegangen, um Almosenspeise. Da hab' ich, auf der Straße von Haus zu Haus um Almosen stehend, irgendein Weib gesehn, die eine Frühgeburt, eine Fehlgeburt getan: und als ich es sah gedacht' ich bei mir: ›Übel steht es, wahrlich, um die Wesen, übel steht es, wahrlich, um die Wesen!‹«

»So gehe denn, Aṉgulimālo, zu jenem Weibe hin und sprich also zu ihr: ›Seitdem ich, o Schwester, geboren bin weiß ich nicht, daß ich mit Absicht ein Wesen des Lebens beraubt hätte: so wahr ich sage, sei genesen du, genesen deine Frucht!‹«

»Würd' ich da nicht, o Herr, bewußte Lüge reden: hab' ich doch, o Herr, mit Absicht vielen Wesen das Leben geraubt!«

»So gehe denn, Aṉgulimālo, zu jenem Weibe hin und sprich also zu ihr: ›Seitdem ich, o Schwester, in heiliger Geburt geboren bin weiß ich nicht, daß ich mit Absicht ein Wesen des Lebens beraubt hätte: so wahr ich sage, sei genesen du, genesen deine Frucht!‹«

»Wohl, o Herr!« erwiderte da der ehrwürdige Aṉgulimālo, dem Erhabenen gehorchend. Und er begab sich zu jenem Weibe hin und sprach also zu ihr:

»Seitdem ich, o Schwester, in heiliger Geburt geboren bin weiß ich nicht, daß ich mit Absicht ein Wesen des Lebens beraubt hätte: so wahr ich sage, sei genesen du, genesen deine Frucht!«

Und das Weib war genesen, genesen ihre Frucht.

Und der ehrwürdige Aṉgulimālo, einsam, abgesondert, unermüdlich, in heißem, innigem Ernste verweilend, hatte gar bald was edle Söhne gänzlich vom Hause fort in die Hauslosigkeit lockt, jenes höchste Ziel des Asketentums noch bei Lebzeiten sich offenbar gemacht, verwirklicht und errungen. ›Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketentum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt‹ verstand er da. Auch einer war nun der ehrwürdige Aṉgulimālo der Heiligen geworden.

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 1, Zürich/Wien 41956, S. 661-662.
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