Viertes Bruchstück

Weihgebet

[64] Ein Hausner:


258

Gar vieler Menschen manche Schar

Hat Weihgebete auserdacht:

Um Wohlsein die wir bitten gehn,

Lehr' uns das beste Weihgebet.


Der Herr:


259

Unzugetan den Toren sein,

Den Klugen wieder zugetan,

Gebühr erzeigen wem's geziemt:

Das ist das beste Weihgebet.


260

Den Ort bewohnen, der uns taugt,

Beflissen redlich sein vorher,

Des rechten Zieles wohlbewußt:

Das ist das beste Weihgebet.


261

Erfahren tüchtig sein, geschickt,

Geübt in edler Sitte Werk,

Ein Wort erschließen schlicht und echt:

Das ist das beste Weihgebet.


262

Den Eltern dienen untertan,

Beisammen halten Weib und Kind,

Gewerbe treiben untrübsam:

Das ist das beste Weihgebet.


[65] 263

Almosen reichen, leben recht,

Beisammen halten Sippentum,

Untadelhaft betätigt sein:

Das ist das beste Weihgebet.


264

Vor Bösem Abscheu, Überdruß,

Vor Trunkenheit behüten sich,

Besonnen auf die Dinge sehn:

Das ist das beste Weihgebet.


265

Gewichtig, aber ohne Wust,

Bedürftig nimmer, dankbar noch,

Der Lehre zeitig lauschen zu:

Das ist das beste Weihgebet.


266

Geduld beweisen mildgemut,

Asketen sehn, besuchen gehn,

Beizeiten pflegen Zwiegespräch:

Das ist das beste Weihgebet.


267

Ein heißer Ernst, ein keuscher Sinn,

Was heilig wahr ist merken wohl,

Der Wahnerlöschung nahe sein:

Das ist das beste Weihgebet.


268

Berührt von Dingen dieser Welt

Bei wem das Herz da nimmer bebt,

Unsehrbar worden, sauber, heil:

Das ist das beste Weihgebet.


269

Wer das getan, vollendet hat,

Unüberwunden überall,

Geht überall genesen ein:

Das ist sein bestes Weihgebet.

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 3, Zürich/Wien 1957, S. 64-66.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Der Waldsteig

Der Waldsteig

Der neurotische Tiberius Kneigt, ein Freund des Erzählers, begegnet auf einem Waldspaziergang einem Mädchen mit einem Korb voller Erdbeeren, die sie ihm nicht verkaufen will, ihm aber »einen ganz kleinen Teil derselben« schenkt. Die idyllische Liebesgeschichte schildert die Gesundung eines an Zwangsvorstellungen leidenden »Narren«, als dessen sexuelle Hemmungen sich lösen.

52 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon