[Kommentare] [2]

[442] 1. Weil eine Gelegenheit da ist, so wird jetzt die besondere Untersuchung der drei Ursachen angestellt. Eine solche Vorstellung und ein solcher Gebrauch »wie Ursache«, d.h. inhärente Ursache, werden in der Substanz wahrgenommen. Weshalb? »Weil die Wirkungen«, d.h. Substanzen, Eigenschaften und Bewegungen, ihr inhäriren. U.

»Die Ursache«, d.h. die inhärente Ursache, ein solcher Gebrauch findet in der Substanz Statt, »weil die Wirkungen inhäriren«, weil sie durch Inhärenz das Substrat der Wirkungen ist; denn für irgend eine Wirkung giebt es keinen Stützpunkt der Inhärenz in einer andern Kategorie als der Substanz, wodurch ein solcher Gebrauch Statt finden könnte. V.

2. Bei der Hervorbringung des Gewebes sind die Fäden, wie die inhärirende, so auch die Mittel-Ursache, indem die Verbindung des Webestuhls und der Fäden ebenfalls die Ursache des Gewebes ist; durch diese Verbindung sind der Webestuhl und die Fäden auch die Mittel-Ursache. Das »Oder« bezieht sich auf das Ganze; obwohl der Faden mit Rücksicht auf die Verbindung des Webestuhls und der Fäden die inhärente Ursache ist, so ist er doch auch dadurch mit Rücksicht auf das Gewebe die Mittel-Ursache. U.

Anders und nach meiner Ansicht richtiger die Vivriti: »Oder durch Verbindung«, d.h. durch das Substrat der Verbindung als der nicht-inhärenten Ursache findet der Gebrauch der inhärirenden [439] Ursache mit Rücksicht auf die Substanz Statt. Hier bezeichnet der Ausdruck »Verbindung« nur die nicht-inhärente Ursache; denn das Substrat der nicht-inhärenten Ursache ist nichts Anderes als die Substanz, wodurch eine zu weite Ausdehnung (des Begriffs der Verbindung) zu besorgen wäre, indem die nicht-inhärente Ursache nur Eigenschaften und Bewegungen zukommt. V.

3. Der Begriff der nicht inhärenten Ursache ist der Begriff einer Ursache, welche dem gleichen Begriffe inhärirt, sofern er mit dem Verhältniss der Wirkung und Ursache verbunden ist, und dies findet Statt entweder durch Inhärenz, welche gleichbedeutend ist mit der Wirkung, oder durch Inhärenz, welche gleichbedeutend ist mit der Ursache. Die Kunstsprache der Vaiçeshika bezeichnet das erste Verhältniss als das direkte, das zweite als das indirekte. Durch welches Verhältniss nun sind die Bewegungen die nicht-inhärenten Ursachen von Verbindungen u.s.w. Die Antwort ist, »durch Inhärenz.« Demnach, Bewegung ist durch das direkte Verhältniss, welche bezeichnet ist als Inhärenz, sofern sie gleichbedeutend ist mit der Wirkung, die nicht-inhärente Ursache der Verbindung u.s.w. U.

Ein solcher Gebrauch, wie: »Bewegungen« sind nicht-inhärente Ursache, findet Statt, weil sie, die Verbindungen, Trennungen, Geschwindigkeiten und Elastizitäten »der Ursache«, der inhärenten Ursache, »inhäriren«, in ihr durch Inhärenz-Verbindung vorhanden sind. Deshalb, sofern entweder durch Inhärenz-Verbindung, oder durch die Inhärenz-Verbindung mit dem eigenen Ganzen (?) ein Verhältniss zur inhärenten Ursache da ist, ist die Ursache eben die nicht-inhärente Ursache. Weil hier in der nicht-inhärenten Ursache der Verbindung u.s.w., d.h. in der Bewegung, durch Inhärenz-Verbindung das Verhältniss zur inhärenten Ursache derselben (der Bewegung?) Statt findet, so ist der Gebrauch der nicht-inhärenten Ursache vorhanden. V.

4. »In der Farbe«; die Farbe ist hier der Repräsentant der übrigen Eigenschaften. »Auf gleiche Weise«, dient zur Erweiterung der nicht-inhärenten Ursache »weil sie eine Inhärenz hat, welche gleichbedeutend mit der Ursache ist«. Die inhärirende Ursache der Farbe und anderer Eigenschaften des Ganzen ist das Ganze; weil sie mit diesem durch die Inhärenz, welche gleiche Beziehung hat, d.h. durch das indirekte Verhältniss, die Farbe u.s.w. des Ganzen hervorbringt; so bringt z.B. die Farbe u.s.w. der beiden Hälften eines Topfes die Farbe u.s.w. in einem Topfe hervor; und dies verhält sich so mit Rücksicht auf die übrigen Eigenschaften. Das »Auch« schliesst auch eine etwaige Mittel-Ursache ein. U.

[440] »In der Farbe«, in der Farbe und jeder anderen Eigenschaft, welche in den Theilen enthalten sind, weil sie eine Inhärenz hat, welche sich auf gleiche Weise bezieht, weil sie ein Verhältniss hat, welches in der Inhärenz in seinem Ganzen besteht, und der Sinn ist, auf diese Weise gilt für die Farbe u.s.w., die in einem Ganzen enthalten ist, der Gebrauch der nicht-inhärenten Ursache. Die Farbe u.s.w. der Hälften eines Topfes, welche durch die Inhärenz-Verbindung mit ihrem Ganzen in dem Ganzen, wie dem Topfe u.s.w., als in der inhärenten Ursache vorhanden ist, ist die nicht-inhärente Ursache der Farbe des Topfes u.s.w. Und hier, wo die nicht-inhärente Ursache in einer vermittelten Verbindung Statt findet, heisst sie in der Kunstsprache der Vaiçeshika-Schule, die weitere, wo sie dagegen in einer unmittelbaren Verbindung Statt findet, die nähere. V.

5. Auf die Frage, ob die Verbindung mit Rücksicht auf die Substanz auch durch unmittelbare Vereinigung nicht-inhärente Ursache sein könne, ist die Antwort: In der inhärenten Ursache, einem Faden, findet die Verbindung des Fadens durch Inhärenz Statt, und so ist sie mit Rücksicht auf das Gewebe durch unmittelbare Vereinigung die nicht-inhärente Ursache. V.

6. Ist nun die Verbindung zuweilen auch die vermittelte nicht-inhärente Ursache einer Wirkung? Die Antwort darauf ist: »Weil die Ursache«, die nicht-inhärente Ursache, »der Ursache«, der inhärenten Ursache, »inhärirt«, darum vermittelst des Inhärenz-Verhältnisses vorhanden ist, so ist die Verbindung zuweilen die nicht-inhärente Ursache, wie in einem Baumwollenklumpen von grosser Ausdehnung als einer Wirkung die Verbindung der Theile derselben, welche ein loser Haufen heisst. V.

7. Zur Bestimmung der Mittel-Ursache wird gesagt: »die Besonderheit des Feuers«, die besondere Eigenschaft des Feuers, die Hitze, »ist durch Inhärenz in dem Verbundenen«, in der Farbe u.s.w., welche durch Reifwerden entsteht, die Mittel-Ursache. Demnach ist die heisse Tastbarkeit durch die Verbindungs-Relation ihres eigenen Substrates die Mittel-Ursache mit Rücksicht auf das, was durch Reifwerden entsteht. Als allgemeine Erklärung muss gelten, dass die Ursache, welche von der inhärenten und nicht-inhärenten verschieden ist, die Mittel-Ursache ist. V.

[441] 8. Auf diese Weise denn sind die Kategorien und deren Gemeinsames und Widerstreitendes bestimmt. Von diesem Lehrsystem aus geschieht nun das Nachdenken der durch Werke in ihrem Herzen Geläuterten, nicht aber der in ihrem Herzen Ungeläuterten. Dass nun, wie die Çruti sagt »sie zu wissen wünschen, wie die Werke die Läuterung des Herzens hervorbringen«, ist zwar vorher schon gesagt, wird aber hier zur festeren Begründung wiederholt, wie folgt: Die Ausübung von Werken, »welche wahrgenommen werden«, welche nach dem Gebote wahrgenommen werden, »und deren Zweck wahrgenommen wird«, nämlich von Opfern, Gaben, Bussübungen u.s.w., »wenn das Wahrgenommene nicht vorhanden ist«, wenn die Früchte von solchem und solchem Werke nicht vorhanden sind, und welche unwahrscheinlich sind wegen des Nicht-Daseins eines Verlangens nach solchen und solchen Früchten, findet Statt zur Erhebung, zur Frucht, welche in dem durch Lauterkeit des Herzens hervorgebrachten Verlangen nach Wissen entsteht.

9. Wenn die Çruti Beweiskraft hat, so werden auch die in ihr aufgezählten Werke Früchte tragen; die Beweiskraft derselben wird aber auch jetzt noch bezweifelt Unter der Voraussetzung eines solchen Einwandes wird die Aussage, obwohl schon früher wiederholt, zur Bekräftigung und Verherrlichung wiederholt. V.

Quelle:
Die Lehrsprüche der Vaiçeshika-Philosophie von Kaṇâda. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Band 22, Leipzig 1868, S. 383–442, S. 439-443.
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