IV. Lehrsatz. Akzidenzen der Prinzipien

[42] Alles, was Namen besitzt, hängt ab von den beiden Prinzipien.

Denn es gibt nichts als beider »Verbindung« oder »Ergebnis«.

Als ein Verbundenes gilt, was ohne vernichtende Scheidung

Niemals trennen sich läßt noch abgesondert bestehn kann.

So hat der Stein sein Gewicht, das Feuer die Glut und das Wasser

Nässe; den Körpern ist eigen Berührung, nur nicht dem Leeren,

Knechtschaft aber und Freiheit und ferner Armut und Reichtum,

Wie auch Frieden und Krieg und alles, was sonst noch hinzukommt

Oder verschwindet, doch ohne das Wesen der Dinge zu ändern:

All dies sind wir gewöhnt, wie es recht ist, Ergebnis zu nennen.

Auch ist die Zeit kein Ding an sich, nein, unsere Sinne

Nehmen erst ab von den Dingen, was in der Vergangenheit vorging,

Was uns soeben bedrängt, und endlich was später geschehn wird.

Niemand kann ja die Zeit an sich mit den Sinnen erfassen,

Wenn man die Ruhe der Dinge und ihre Bewegung nicht abmißt.

Wenn man die Sage vernimmt von Helenas Raub und von Trojas

Niederwerfung im Krieg, so muß man sich hüten zu meinen,

Jene Geschehnisse ständen für sich als wirkliche Dinge,

Weil ja die Menschengeschlechter, die jenes »Ergebnis« erfuhren,

Unwiderruflich hinab der vergangene Zeitraum geschlungen.

Denn von dem Land an sich ist das jedesmal'ge Ergebnis

Wohl zu trennen, das grade in dessen Bezirke sich abspielt.

Wäre nun gar in den Dingen der Stoff nicht vorhanden gewesen

Oder der Ort und der Raum, in welchem sich alles ereignet,

Hätte der Helena Schönheit wohl nimmer das Feuer der Liebe

Bei Alexander entfacht und ins Phrygierherz sich gestohlen,

Hätt' auch die Fackel des wilden, von allen besungenen Krieges[42]

Nimmer entzündet. Dann hätte das hölzerne Pferd und die Griechen,

Die es nächtens gebar, auch nimmer die Veste zerstöret.

Daraus kannst du ersehn, daß alle Geschehnisse durchweg

Nicht auf sich selber beruhn und nicht wie der Körper bestehen,

Noch auch so wie das Leere besondre Benennung verdienen,

Sondern nur so, daß man richtig vielmehr von »Ergebnissen« redet,

Die an den Körper und Ort, wo jedes geschieht, sind gebunden.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 42-43.
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