Vierundzwanzigstes Kapitel

[149] Mendelssohn. Ein Kapitel, dem Andenken eines würdigen Freundes geweiht.


Quis desiderio sit pudor aut modus tam cari capitis.


Der Name Mendelssohn ist der Welt zu bekannt, als daß ich nötig hätte, mich hier bei der Schilderung der großen intellektuellen und moralischen Eigenschaften dieses berühmten Mannes unserer Nation lange aufzuhalten. Ich werde hier bloß diejenigen Hauptzüge seines Porträts entwerfen, welche auf mich den größten Eindruck gemacht haben. Er war ein guter Talmudist und Schüler des berühmten und zugleich von seiner Nation verketzerten polnischen Rabbiners Rabbi Israel, oder, wie er sonst nach dem Titel eines talmudistischen Werkes, welches er geschrieben hat, genannt wird, Nezach Jißrael[149] (die Stärke Israel). Dieser Rabbiner hatte außer seinen großen talmudistischen Fähigkeiten und Kenntnissen noch viele Talente zu den Wissenschaften, besonders zur Mathematik, worin er schon in Polen aus den wenigen im Hebräischen abgefaßten Schriften dieser Art gründliche Kenntnisse erworben hatte, wie aus dem vorerwähnten Werke selbst zu ersehen ist. Es kommen hier Auflösungen mancher wichtigen mathematischen Probleme vor, die entweder zur Erklärung einiger dunkler Stellen im Talmud oder zur Bestimmung eines Gesetzes gebraucht werden. Natürlicherweise war unserem Rabbi Israel mehr an Verbreitung nützlicher Kenntnisse unter seiner Nation als an der Erklärung oder Bestimmung eines Gesetzes gelegen, dessen er sich bloß als eines Vehikels bediente. So zeigte er z.B., daß es nicht recht ist, wenn die Juden sich in unseren Gegenden bei ihrem Gebet gerade nach Morgen richten; denn da das talmudistische Gesetz sich nach Jerusalem zu richten befiehlt, so müßte man sich in unseren Gegenden, die nordwestlich von Jerusalem sind, nach Südosten richten. Er zeigt daher, wie man durch die sphärische Trigonometrie diese Richtung in allen Gegenden aufs genaueste bestimmen kann und dergleichen mehr. Dieser sowohl als der berühmte Oberrabbiner Fränkel haben zur Entwicklung der großen Fähigkeiten Mendelssohns viel beigetragen.

Mendelssohn besaß gründliche mathematische Kenntnisse, er schätzte die Mathematik nicht bloß wegen ihrer Evidenz an sich, sondern auch als die beste Übung im gründlichen Denken.

Daß er ein großer Philosoph war, ist bekannt genug. Er war zwar kein Erfinder neuer Systeme, hatte aber die alten und vornehmlich das Wolffisch-Leibnizische System verbessert und auf manche Gegenstände der Philosophie mit glücklichem Erfolge angewendet.

Es ist schwer zu bestimmen, ob Mendelssohn mehr Scharfsinn oder Tiefsinn besessen? Diese beiden Vermögen fanden[150] sich in ihm in einem sehr hohen Grade vereinigt. Seine Genauigkeit im Definieren und Einteilen, seine feinen Distinktionen usw. sind Beweise des ersten, und seine tiefsinnigen philosophischen Abhandlungen liefern Beweise des zweiten Talents.

Von seiten seines Charakters war er, wie er selbst gestand, von Natur zu Leidenschaften geneigt, hatte es aber durch lange Übung in der stoischen Tugend, in ihrer Beherrschung sehr weit gebracht. So kam einst der junge B. in der Meinung, daß Mendelssohn ihm unrecht getan habe, ihm darüber Vorwürfe zu machen, und sagte ihm eine Impertinenz über die andere. Mendelssohn stand an einen Stuhl gelehnt, wandte kein Auge von jenem weg und hörte alle seine Impertinenzen mit der größten stoischen Geduld an. Erst nachdem der junge Mensch ausgetobt hatte, ging Mendelssohn zu ihm und sagte: »Gehen Sie! Sie sehen, daß Sie hier Ihren Zweck nicht erreichen; Sie können mich nicht aufbringen.« Doch konnte Mendelssohn bei dergleichen Gelegenheiten seinen Kummer über die menschlichen Schwächen nicht verbergen.

Ich selbst war nicht selten in meinen Disputen mit ihm zu hitzig und übertrat die einem solchen Manne schuldige Ehrerbietung, welches mich noch jetzt gereuet.

Mendelssohn besaß viel Menschenkenntnis, welche nicht darin besteht, einige unzusammenhängende Züge eines Charakters aufzufassen und sie auf eine theatralische Art darzustellen, sondern vielmehr die wesentlichen Hauptzüge eines Charakters ausfindig zu machen, woraus sich alles übrige erklären und gewissermaßen zum voraus bestimmen läßt. Er wußte die Triebfedern und das ganze moralische Räderwerk eines Menschen genau anzugehen und verstand die Seelenmechanik von Grund aus. Dieses charakterisierte nicht bloß seinen Umgang und sonstige Beschäftigungen mit anderen, sondern auch seine gelehrten Arbeiten. –

Mendelssohn verstand die nützliche und zugleich angenehme[151] Kunst, sich in die Denkungsart eines anderen zu versetzen. Er wußte das Mangelnde in den Gedanken eines anderen zu ergänzen und die Lücken auszufüllen. Die neu ankommenden polnischen Juden, deren Gedanken größtenteils verworren und deren Sprache ein unverständlicher Jargon ist, konnte Mendelssohn recht gut verstehen. Er nahm in seinen Unterhaltungen mit ihnen ihre Ausdrücke und Redensarten an, suchte seine Denkungsart zu der ihrigen herunterzustimmen und dadurch diese zu der seinigen zu erheben.

Er verstand auch die Kunst, die gute Seite eines jeden Menschen oder Vorfalls ausfindig zu machen. Er fand nicht selten an Leuten Unterhaltung, deren Umgang wegen Unregelmäßigkeit in dem Gebrauch ihrer Kräfte sonst vermieden wird; und nur gänzliche Dummheit und Trägheit war ihm höchst zuwider. Ich war einst Augenzeuge, wie er sich eine geraume Zeit mit einem Manne von der unregelmäßigsten Denkungsart und dem ausschweifendsten Betragen unterhielt. Ich verlor dabei alle Geduld, und nachdem er weg war, fragte ich Mendelssohn voller Verwunderung: »Wie konnten Sie sich mit diesem Manne so viel abgeben?« »Warum das?« erwiderte er, »wir betrachten eine Maschine mit Aufmerksamkeit, deren Zusammensetzung uns unbekannt ist, und suchen uns ihre Wirkungsart begreiflich zu machen; soll dieser Mensch nicht eben die Aufmerksamkeit verdienen? Sollen wir uns nicht seine seltsamen Äußerungen auf eben die Art begreiflich zu machen suchen, da er doch gewiß seine Triebfedern und Räderwerk so gut als irgendeine Maschine haben muß.«

Mendelssohn war im Disputieren mit einem steifen, an einem einmal angenommenen System hängenden Denker steif und machte sich die kleinste Unrichtigkeit in der Denkungsart seines Gegners zunutze. Mit einem biegsamen Denker hingegen war er auch biegsam, und er pflegte gemeiniglich alsdann dem Disput mit folgenden[152] Worten ein Ende zu machen: »Wir müssen uns nicht an die Worte, sondern an die Sachen halten.«

Nichts war ihm so sehr zuwider als Esprit de Bagatelle und Affektation, so daß er seinen Widerwillen dagegen nicht verbergen konnte. Als H ..., der einst eine Gesellschaft, in welcher Mendelssohn die Hauptperson war, zu sich einlud und die ganze Zeit über mit seinem Steckenpferd, das eben nicht von der besten Gattung war, unterhielt, zeigte er seinen Widerwillen dadurch, daß er dieses nichtswürdige Geschöpf gar keiner Aufmerksamkeit würdigte. Madame ..., die ein Übermaß von Empfindsamkeit affektierte und sich, wie gewöhnlich, selbst zu tadeln pflegte, um die Lobsprüche anderer zu erzwingen, suchte er dadurch zur Vernunft zu bringen, daß er ihr eindringend zeigte, wie sehr dieses Betragen fehlerhaft sei und sie auf Besserung bedacht sein müsse.

An einer unzusammenhängenden Unterhaltung nahm er selbst wenig Anteil, sondern er machte alsdann seine Betrachtungen und ergötzte sich vielmehr über das Benehmen der anderen. War die Unterhaltung hingegen zusammenhängend, so nahm er selbst den wärmsten Anteil daran. Er konnte auch durch geschickte Wendungen der Unterhaltung, ohne sie zu unterbrechen, eine zweckmäßige Richtung geben.

Nie konnte sich Mendelssohns Geist mit Kleinigkeiten beschäftigen; Sachen von der größten Wichtigkeit erhielten ihn in rastloser Tätigkeit. Die Prinzipien der Moral, der natürlichen Theologie, Unsterblichkeit der Seele und dergleichen. Er hat auch in allen diesen Zweigen der die Menschheit interessierenden Nachforschungen, wie ich dafür halte, so viel geleistet, als man nach der Wolffisch-Leibnizischen Philosophie leisten kann. Vollkommenheit war der Kompaß, den er in allen diesen Untersuchungen beständig vor Augen hatte und der hierin seine Richtung bestimmte.

Sein Gott ist das Ideal der höchsten Vollkommenheit,[153] seiner Moral liegt die Idee der höchsten Vollkommenheit zugrunde. Das Prinzip seiner Ästhetik ist sinnliche Vollkommenheit.

Meine Disputationen bei meiner ersten Bekanntschaft mit ihm betrafen vornehmlich folgende Punkte.

Ich als ein treuer Anhänger des Maimonides, ehe ich mich mit der neueren Philosophie bekannt machte, bestand auf der Verneinung aller positiven Eigenschaften von Gott, indem diese nur eingeschränkt von uns dargestellt werden können. Ich machte daher folgendes Dilemma: entweder ist Gott nicht das allervollkommenste Wesen, wenn seine Eigenschaften von uns nicht bloß gedacht, sondern auch erkannt, d.h. als reelle (einem Objekt zukommende) Begriffe dargestellt werden sollen. Oder er ist das allervollkommenste Wesen, sein Begriff wird also von uns gedacht, dessen Realität aber bloß problematisch angenommen.

Mendelssohn hingegen bestand auf der Bejahung aller Realitäten von Gott, welches in der Wolffisch-Leibnizischen Philosophie wohl angeht, weil sie zur Realität eines Begriffs nicht mehr fordert als seine Denkbarkeit (Mangel des Widerspruchs).

Meine Moral war damals der echte Stoizismus. Erlangung des freien Willens und Obermacht der Vernunft über die Empfindungen und Leidenschaften. Die höchste Bestimmung des Menschen, die Behauptung seiner Differentia specifica: Erkenntnis der Wahrheit. Alle anderen uns mit den unvernünftigen Tieren gemeinschaftlichen Triebe sollten bloß als Mittel zu diesem Hauptzweck in Wirksamkeit gesetzt werden. Die Erkenntnis des Guten war bei mir von der Erkenntnis des Wahren nicht unterschieden, indem ich, dem Maimonides zufolge, nur die Erkenntnis der Wahrheit für das höchste dem Menschen würdige Gut hielt.

Mendelssohn hingegen behauptete, daß der der Moral zum Grund liegende Begriff der Vollkommenheit von weit größerem Umfange sei als die bloße Erkenntnis der Wahrheit.[154] Alle natürlichen Triebe, Fähigkeiten und Kräfte müßten, als etwas Gutes an sich (nicht bloß als Mittel zu etwas Gutem) als Realitäten in Ausübung gebracht werden. Die höchste Vollkommenheit sei die Idee von dem Maximum oder der größten Summe dieser Realitäten.

Die Unsterblichkeit der Seele bestand bei mir (nach dem Maimonides) in der Vereinigung des in Ausübung gebrachten Teils des Erkenntnisvermögens mit dem allgemeinen Weltgeiste, dem Grade dieser Ausübung gemäß; so daß ich diesem zufolge, nur diejenigen, die sich mit Erkenntnis der ewigen Wahrheiten abgeben, in dem Grade, daß sie sich damit abgeben, dieser Unsterblichkeit teilhaftig hielt. Die Seele muß also mit Erlangung dieser hohen Unsterblichkeit ihre Individualität verlieren. Daß Mendelssohn nach der neuern Philosophie hierüber anders dachte, wird mir ein jeder gewiß auf mein Wort glauben.

Seine Gesinnungen in Ansehung der geoffenbarten oder positiven Religion kann ich hier nicht als ein mir von ihm selbst bekannt gemachtes Faktum, sondern bloß, insoweit ich sie als Resultat seiner Äußerungen darüber in seinen Schriften mit Hilfe des eigenen Nachdenkens habe herausbringen können, vorstellen. Denn da ich damals, als ein angehender Freidenker, alle geoffenbarte Religion für an sich falsch, und deren Nutzen, soweit ich ihn aus den Schriften des Maimonides hatte einsehen können, für bloß zeitlich erklärte, und als ein Mensch ohne Erfahrung mir die Möglichkeit der Überzeugung anderer, trotz der fest eingewurzelten Gewohnheit und verjährter Vorurteile, leicht dachte, auch die Nützlichkeit einer solchen Reformation als unbezweifelt voraussetzte, so konnte Mendelssohn sich mit mir auf keine Weise über diesen Gegenstand unterhalten, indem er befürchten mußte: daß ich seine Gegengründe (wie es von mehreren geschehen ist und noch geschieht) für bloße Sophistereien erklären und ihm hierbei Absichten andichten würde. Aus seinen Äußerungen[155] sowohl in seiner Vorrede zu dem Menasse Ben Israel, als seinem Jerusalem erhellet aber, daß er zwar keine geoffenbarte Lehrmeinungen als ewige Wahrheiten, wohl aber geoffenbarte Gesetze der Religion annahm, und daß er die jüdischen Religionsgesetze als die Grundgesetze einer theokratischen Verfassung, soweit es die Umstände erlauben, für unabänderlich hielt.

Was mich anbetrifft, so stimme ich jetzt Mendelssohns Räsonnement hierüber, aus eigenem Nachdenken über die Grundgesetze der Religion meiner Väter, völlig bei. Die Grundgesetze der jüdischen Religion sind zugleich die Grundsätze ihres Staats. Sie müssen also von allen befolgt werden, die sich als Mitglieder dieses Staats bekennen, und die ihnen unter der Bedingung ihrer Befolgung zugestandenen Rechte genießen wollen. Derjenige hingegen, der sich von diesem Staate trennt, für kein Mitglied desselben gehalten sein und auf alle seine Rechte, als ein solches, Verzicht tun will (er mag übrigens als Mitglied eines andern Staats sich einschreiben lassen oder in die Einsamkeit sich begeben) ist auch in seinem Gewissen nicht mehr zur Befolgung dieser Gesetze verpflichtet. Ich gebe auch Mendelssohns Bemerkungen zu, daß dadurch, daß ein Jude zur christlichen Religion übergeht, er deswegen sich von seinen Religionsgesetzen nicht befreien könne; weil Jesus von Nazareth selbst dieselbe befolgte und seinen Anhängern zu befolgen befahl. Wie aber, wenn ein Jude nicht mehr ein Mitglied dieses theokratischen Staats sein will und zur heidnischen oder zur philosophischen Religion übergeht, die nichts mehr als die reine natürliche Religion ist? wenn er sich bloß als Mitglied eines bürgerlichen Staats seinen Gesetzen unterwirft und von demselben wiederum seine Rechte fordert, ohne sich über seine Religion im mindesten zu erklären, da der Staat vernünftig genug ist, von ihm keine Erklärung (die ihn nichts angeht) abzufordern? Ich glaube nicht, daß Mendelssohn noch in diesem Falle behaupten würde, daß dieser[156] Jude dennoch in seinem Gewissen verpflichtet sei, die Gesetze seiner väterlichen Religion bloß deswegen zu befolgen, weil sie die Gesetze seiner väterlichen Religion sind. Mendelssohn, der, wieweit es bekannt ist, den Gesetzen seiner Religion nachgelebt hat, hielt sich vermutlich noch immer für ein Mitglied seiner Väter theokratischen Staats und handelte also in diesem Betracht pflichtmäßig; wer aber von diesem Staate abgeht, handelt ebensowenig pflichtwidrig.

Dahingegen erkläre ich die Handlungsweise derjenigen Juden für unrechtmäßig, die sich aus Familienanhänglichkeit und Interesse zur jüdischen Religion bekennen und dennoch ihre Gesetze (wo sie ihrer Meinung nach jenen Bewegungsgründen nicht im Wege stehen) übertreten. Ich begreife also nicht, wie Mendelssohn den Hamburger Juden, der öffentlich die Religionsgesetze übertrat und deswegen von dem Hamburger Oberrabbiner in den Bann getan wurde, von demselben aus diesem Grunde befreien will, weil die Kirche in bürgerlichen Sachen kein Recht habe, und dennoch die immerwährende Dauer des jüdisch-kirchlichen Staates behaupten kann? Was ist ein Staat ohne Rechte, und worin bestehen diesem zufolge die Rechte dieses kirchlichen Staates? »Wie kann,« sagt Mendelssohn (in der Vorrede zu Menasse Ben Israel, »Rettung der Juden«), »der Staat zulassen, daß irgendeiner seiner nützlichen und geachteten Bürger durch die Gesetze unglücklich werde?« »Nicht doch!« werde ich hierauf antworten, »der gedachte Hamburger Jude wird durch die Macht des Bannstrahls nicht unglücklich, er brauchte nur nichts zu reden oder zu tun, was diesen gesetzmäßig nach sich zieht, so würde er davon befreit geblieben sein; der Bann bedeutet nur so viel: solange du dich öffentlich den Gesetzen unserer Gemeinde widersetzt, bist du aus ihr ausgeschlossen, du mußt also eine Berechnung machen, ob diese öffentliche Widersetzlichkeit oder die anderen Vorteile dieser Gemeinde deine Glückseligkeit am meisten[157] befördern kann.« Einem Mendelssohn wird dieses gewiß nicht entgangen sein, und ich überlasse es andern, zu bestimmen, ob und wie weit man zum Wohl der Menschheit inkonsequent sein darf. –

Mendelssohn ist auch manches Unrecht von sonst schätzbaren Männern zugefügt worden, von welchen man es am wenigsten hätte erwarten sollen.

Lavaters Zudringlichkeit ist bekannt genug und von allen wohldenkenden und rechtschaffen gesinnten Männern gemißbilligt worden.

Der tiefdenkende Jakobi suchte aus Neigung zum Spinozismus (welches ihm wahrhaftig kein Selbstdenker verargen kann) Mendelssohn (wie auch seinen Freund Lessing) malgré lui, zum Spinozisten zu machen, und machte eine sich darauf beziehende Korrespondenz öffentlich bekannt, die gar nicht dazu bestimmt war, im Drucke zu erscheinen und dem Publikum zur Schau gestellt zu werden. Wozu sollte dieses? Ist der Spinozismus wahr, so ist er es auch ohne Mendelssohns Beistimmung. Bei ewigen Wahrheiten kommt es auf Mehrheit der Stimmen nicht an. Besonders da, wie ich dafür halte, diese Wahrheit von der Art ist, daß sie allen Ausdruck hinter sich läßt. –

Mendelssohn mußte freilich eine solche Ungerechtigkeit vielen Verdruß machen. Ja, ein berühmter Mediziner behauptete sogar, daß Mendelssohn darüber gestorben sei, dem ich doch, ohne Mediziner zu sein, dreist widersprechen darf. Mendelssohn hat sich sowohl gegen Jakobi als gegen Lavater als ein Held benommen. Nein, nein! Dieser Held ist am fünften Akt gestorben.

Quelle:
Maimon, Salomon: Geschichte des eigenen Lebens (1754–1800). Berlin 1935, S. 149-158.
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Ausgewählte Ausgaben von
Salomon Maimons Lebensgeschichte
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Salomon Maimons Lebensgeschichte. Von ihm selbst geschrieben
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