[Kritik der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt]

[568] ||XI| 6. An diesem Punkte ist vielleicht der Ort, sowohl zur Verständigung und Berechtigung über die Hegelsche Dialektik überhaupt als namentlich über ihre Ausführung in der »Phänomenologie« und »Logik«, endlich über das Verhältnis der neuern kritischen Bewegung einige Andeutungen zu geben. –

Die Beschäftigung mit dem Inhalt der alten Welt, die von dem Stoff befangne Entwicklung der modernen deutschen Kritik war so gewaltsam, daß ein völlig kritikloses Verhalten zur Methode des Kritisierens und eine völlige Bewußtlosigkeit über die scheinbar formelle, aber wirklich wesentliche Frage stattfand, wie halten wir es nun mit der Hegelschen Dialektik? Die Bewußtlosigkeit – über das Verhältnis der modernen Kritik zur Hegelschen Philosophie überhaupt und zur Dialektik namentlich – war so groß, daß Kritiker wie Strauß und Bruno Bauer, der erstere vollständig, der zweite in seinen »Synoptikern« (wo er dem Strauß gegenüber das »Selbstbewußtsein« des abstrakten Menschen an die Stelle der Substanz der »abstrakten Natur« stellt) und selbst noch im »Entdeckten Christentum« wenigstens der Potenz nach noch vollständig innerhalb der Hegelschen Logik befangen sind. So heißt es z.B. in dem »Entdeckten Christentum«:

»Als ob nicht das Selbstbewußtsein, indem es die Welt, den Unterschied setzt und in dem, was es hervorbringt, sich selbst hervorbringt, da es den Unterschied des Hervorgebrachten von ihm selbst wieder aufhebt, da es nur im HervorbringenA97 und in der Bewegung es selber ist – als ob es nicht in dieser Bewegung seinen Zweck hätte« etc. oder: »Sie« (die französischen Materialisten) »haben noch nicht sehn können, daß die Bewegung des Universums erst als die Bewegung des Selbstbewußtseins wirklich für sich geworden und zur Einheit mit ihr selbst zusammengegangen ist.«

Ausdrücke, die auch nicht einmal in der Sprache einen Unterschied von der Hegelschen Auffassung zeigen, sondern sie vielmehr wörtlich wiederholen.

||XII| Wie wenig während des Akts der Kritik (Bauer, die »Synoptiker«) ein Bewußtsein vorhanden war über das Verhältnis zur Hegelschen Dialektik, wie wenig dieses Bewußtsein auch nach dem Akt der stofflichen Kritik entstand, beweist Bauer, wenn er in seiner »Guten Sache der Freiheit«[568] die vorlaute Frage des Herrn Gruppe, »was nun mit der Logik«, dadurch abweist, daß er ihn auf kommende Kritiker verweist.

Aber auch nun, nachdem Feuerbach – sowohl in seinen »Thesen« in den »Anecdotis« als ausführlich in der »Philosophie der Zukunft« – die alte Dialektik und Philosophie dem Keim nach umgeworfen hat, nachdem dagegen jene Kritik, welche diese Tat gar nicht zu vollbringen wußte, dagegen die Tat vollbracht sah, als reine, entschiedne, absolute, mit sich ins klare gekommene Kritik ausgerufen, nachdem sie in ihrem spiritualistischen Hochmut die ganze geschichtliche Bewegung auf das Verhältnis der übrigen Welt – die ihr gegenüber unter die Kategorie der »Masse« fällt – zu ihr selbst reduziert und alle dogmatischen Gegensätze in dem einen dogmatischen Gegensatz ihrer eignen Klugheit und der Dummheit der Welt, des kritischen Christus und der Menschheit, als den »Haufen«, aufgelöst hat, nachdem sie ihre eigne Vortrefflichkeit täglich und stündlich an der Geistlosigkeit der Masse bewiesen hat, nachdem sie endlich das kritische jüngste Gericht unter der Gestalt verkündigt hat, daß der Tag herannahe, wo die ganze verfallende Menschheit ihr gegenüber sich scharen werde, von ihr in Gruppen sondiert, und jeder besondre Hauten sein testimonium paupertatis erhalten werde, nachdem sie ihre Erhabenheit über menschliche Empfindungen, wie über die Welt, über welche sie in erhabener Einsamkeit thronend, nur von Zeit zu Zeit das Gelächter der olympischen Götter von ihren sarkastischen Lippen schallen läßt, hat drucken lassen – nach allen diesen ergötzlichen Gebarungen des unter der Form der Kritik verscheidenden Idealismus (des Junghegeltums) hat er auch nicht einmal die Ahnung ausgesprochen, daß man sich nun kritisch mit seiner Mutter, der Hegelschen Dialektik, auseinanderzusetzen habe, ja selbst über sein kritisches Verhältnis zur Feuerbachischen Dialektik [nichts] anzugeben gewußt. Ein völliges unkritisches Verhalten zu sich selbst.

Feuerbach ist der einzige, der ein ernsthaftes, ein kritisches Verhältnis zur Hegelschen Dialektik hat und wahrhafte Entdeckungen auf diesem Gebiete gemacht hat, überhaupt der wahre Überwinder der alten Philosophie ist. Die Größe der Leistung und die geräuschlose Einfachheit, womit F[euerbach] sie der Welt gibt, stehn in einem wunderlichen Gegensatz zu dem umgekehrten Verhältnis.

Feuerbachs große Tat ist:

1. der Beweis, daß die Philosophie nichts andres ist als die in Gedanken gebrachte und denkend ausgeführte Religion; eine andre Form und Daseinsweise der Entfremdung des menschlichen Wesens; also ebenfalls zu verurteilen ist;[569]

2. die Gründung des wahren Materialismus und der reellen Wissenschaft, indem Feuerbach das gesellschaftliche Verhältnis »des Menschen zum Menschen« ebenso zum Grundprinzip der Theorie macht;

3. indem er der Negation der Negation, die das absolut Positive zu sein behauptet, das auf sich selbst ruhende und positiv auf sich selbst begründete Positive entgegenstellt.

Feuerbach erklärt die Hegelsche Dialektik – (und begründet dadurch den Ausgang vom Positiven, vom Sinnlich-Gewissen) – folgendermaßen:

Hegel geht aus von der Entfremdung (logisch: dem Unendlichen, abstrakt Allgemeinen) der Substanz, der absoluten und fixierten Abstraktion. – D.h. populär ausgedrückt, er geht von der Religion und Theologie aus.

Zweitens: Er hebt das Unendliche auf, setzt das Wirkliche, Sinnliche, Reale, Endliche, Besondre (Philosophie, Aufhebung der Religion und Theologie).

Drittens: Er hebt das Positive wieder auf, stellt die Abstraktion, das Unendliche, wieder her. Wiederherstellung der Religion und Theologie.

Feuerbach faßt also die Negation der Negation nur als Widerspruch der Philosophie mit sich selbst auf, als die Philosophie, welche die Theologie (Transzendenz etc.) bejaht, nachdem sie dieselbe verneint hat, also im Gegensatz zu sich selbst bejaht.

Die Position oder Selbstbejahung und Selbstbestätigung, die in der Negation der Negation liegt, wird für eine ihrer selbst noch nicht sichere, darum mit ihrem Gegensatz behaftete, an sich selbst zweifelnde und darum des Beweises bedürftige, also nicht durch ihr Dasein sich selbst beweisende, als nicht eingestandne ||XIII| Position gefaßt und darum ihr direkt und unvermittelt die sinnlich gewisse, auf sich selbst gegründete Position entgegengestellt.A98

Aber indem Hegel die Negation der Negation – der positiven Beziehung nach, die in ihr liegt, als das wahrhaft und einzig Positive, der negativen Beziehung nach, die in ihr liegt, als den einzig wahren Akt und Selbstbetätigungsakt alles Seins – aufgefaßt hat, hat er nur den abstrakten, logischen, spekulativen Ausdruck für die Bewegung der Geschichte gefunden, die noch nicht wirkliche Geschichte des Menschen als eines vorausgesetzten Subjekts, sondern erst Erzeugungsakt, Entstehungsgeschichte des Menschen ist. – Sowohl die abstrakte Form werden wir erklären, als den Unterschied,[570] den diese Bewegung bei Hegel im Gegensatz zur modernen Kritik zu demselben Prozeß in Feuerbachs »Wesen des Christentums« hat oder vielmehr die kritische Gestalt dieser bei Hegel noch unkritischen Bewegung. – Ein Blick auf das Hegelsche System. Man muß beginnen mit der Hegelschen Phänomenologie, der wahren Geburtsstätte und dem Geheimnis der Hegelschen Philosophie. –

Phänomenologie.

A. Das Selbstbewußtsein.

I. Bewußtsein. α) Sinnliche Gewißheit oder das Dieses und das Meinen. β) Die Wahrnehmung oder das Ding mit seinen Eigenschaften und die Täuschung, γ) Kraft und Verstand, Erscheinung und übersinnliche Welt.

II. Selbstbewußtsein. Die Wahrheit der Gewißheit seiner selbst, a) Selbständigkeit und Unselbständigkeit des Selbstbewußtseins, Herrschaft und Knechtschaft, b) Freiheit des Selbstbewußtseins. Stoizismus, Skeptizismus, das unglückliche Bewußtsein.

III. Vernunft. Gewißheit und Wahrheit der Vernunft, a) Beobachtende Vernunft; Beobachtung der Natur und des Selbstbewußtseins, b) Verwirklichung des vernünftigen Selbstbewußtseins durch sich selbst. Die Lust und die Notwendigkeit. Das Gesetz des Herzens und der Wahnsinn des Eigendünkels. Die Tugend und der Weltlauf, c) Die Individualität, welche sich an und für sich reell ist. Das geistige Tierreich und der Betrug oder die Sache selbst. Die gesetzgebende Vernunft. Die gesetzprüfende Vernunft.

B. Der Geist.

I. Der wahre Geist; die Sittlichkeit. II. Der sich entfremdete Geist, die Bildung. III. Der seiner selbst gewisse Geist, die Moralität.

C. Die Religion. Natürliche, Kunstreligion, offenbare Religion. D. Das absolute Wissen.

Wie die »Enzyklopädie« Hegels mit der Logik beginnt, mit dem reinen spekulativen Gedanken, und mit dem absoluten Wissen, dem selbstbewußten, sich selbst erfassenden philosophischen oder absoluten, d.i. übermenschlichen abstrakten Geiste, aufhört, so ist die ganze »Enzyklopädie« nichts als das ausgebreitete Wesen des philosophischen Geistes, seine Selbstvergegenständlichung; wie der philosophische Geist nichts ist als der innerhalb seiner Selbstentfremdung denkend, d.h. abstrakt sich erfassende entfremdete Geist der Welt. – Die Logik – das Geld des Geistes, der spekulative, der Gedankenwert des Menschen und der Natur – ihr gegen alle wirkliche Bestimmtheit vollständig gleichgültig gewordnes und darum unwirkliches Wesen – das entäußerte, daher von der Natur und dem[571] wirklichen Menschen abstrahierende Denken; das abstrakte Denken. – Die Äußerlichkeit dieses abstrakten Denkens... die Natur, wie sie für dies abstrakte Denken ist. Sie ist ihm äußerlich, sein Selbstverlust; und es faßt sie auch äußerlich, als abstrakten Gedanken, aber als entäußertes abstraktes Denken – endlich der Geist, dies in seine eigne Geburtsstätte heimkehrende Denken, welches sich als anthropologischer, phänomenologischer, psychologischer, sittlicher, künstlich-religiöser Geist immer noch nicht für sich selbst gilt, bis es sich endlich als absolutes Wissen und darum absoluter i.e. abstrakter Geist vorfindet und selbstbejaht, sein bewußtes und ihm entsprechendes Dasein erhält. Denn sein wirkliches Dasein ist die Abstraktion.

Ein doppelter Fehler bei Hegel.

[Der] 1. tritt in der »Phänomenologie« als der Geburtsstätte der Hegelschen Philosophie am klarsten hervor. Wenn er z.B. Reichtum, Staatsmacht etc. als dem menschlichen Wesen entfremdete Wesen gefaßt, so geschieht dies nur in ihrer Gedankenform... Sie sind Gedankenwesen – daher bloß eine Entfremdung des reinen, d.i. abstrakten philosophischen Denkens. Die ganze Bewegung endet daher mit dem absoluten Wissen. Wovon diese Gegenstände entfremdet sind und wem sie mit der Anmaßung der Wirklichkeit entgegentreten, das ist eben das abstrakte Denken. Der Philosoph legt sich – also selbst eine abstrakte Gestalt des entfremdeten Menschen – als den Maßstab der entfremdeten Welt an. Die ganze Entäußerungsgeschichte und die ganze Zurücknahme der Entäußerung ist daher nichts als die Produktionsgeschichte des abstrakten, i.e. absoluten ||XVII|A99 Denkens, des logischen spekulativen Denkens. Die Entfremdung, welche daher das eigentliche Interesse dieser Entäußerung und Aufhebung dieser Entäußerung bildet, ist der Gegensatz von an sich und für sich, von Bewußtsein und Selbstbewußtsein, von Objekt und Subjekt, d.h. der Gegensatz des abstrakten Denkens und der sinnlichen Wirklichkeit oder der wirklichen Sinnlichkeit innerhalb des Gedankens selbst. Alle andern Gegensätze und Bewegungen dieser Gegensätze sind nur der Schein, die Hülle, die exoterische Gestalt dieser einzig interessanten Gegensätze, welche den Sinn der andren profanen G[egensätze] bilden. Nicht, daß das menschliche Wesen sich unmenschlich. Im Gegensatz zu sich selbst sich vergegenständlicht, sondern, daß es im Unterschied vom und im Gegensatz zum abstrakten Denken sich vergegenständlicht, gilt als das gesetzte und als das aufzuhebende Wesen der Entfremdung.[572]

||XVIII| Die Aneignung der zu Gegenständen und zu fremden Gegenständen gewordenen Wesenskräfte des Menschen ist also erstens nur eine Aneignung, die im Bewußtsein, im reinen Denken, i.e. in der Abstraktion vor sich geht, die Aneignung dieser Gegenstände als Gedanken und Gedankenbewegungen, weshalb schon in der »Phänomenologie« – trotz ihres durchaus negativen und kritischen Aussehns und trotz der wirklich in ihr enthaltnen, oft weit der spätren Entwicklung vorgreifenden Kritik – schon der unkritische Positivismus und der ebenso unkritische Idealismus der spätern Hegelschen Werke – diese philosophische Auflösung und Wiederherstellung der vorhandnen Empirie – latent liegt, als Keim, als Potenz, als ein Geheimnis vorhanden ist. Zweitens. Die Vindizierung der gegenständlichen Welt für den Menschen – z.B. die Erkenntnis, daß das sinnliche Bewußtsein kein abstrakt sinnliches Bewußtsein, sondern ein menschlich sinnliches Bewußtsein, daß die Religion, der Reichtum etc. nur die entfremdete Wirklichkeit der menschlichen Vergegenständlichung, der zum Werk herausgebornen menschlichen Wesenskräfte und darum nur der Weg zur wahren menschlichen Wirklichkeit sind –, diese Aneignung oder die Einsicht in diesen Prozeß erscheint daher bei Hegel so, daß die Sinnlichkeit, Religion, Staatsmacht etc. geistige Wesen sind – denn nur der Geist ist das wahre Wesen des Menschen, und die wahre Form des Geistes ist der denkende Geist, der logische, spekulative Geist. Die Menschlichkeit der Natur und der von der Geschichte erzeugten Natur, der Produkte des Menschen, erscheint darin, daß sie Produkte des abstrakten Geistes sind und insofern also geistige Momente, Gedankenwesen. Die »Phänomenologie« ist daher die verborgne, sich selbst noch unklare und mystizierende Kritik; aber insofern sie die Entfremdung des Menschen – wenn auch der Mensch nur in der Gestalt des Geistes erscheint – festhält, liegen in ihr alle Elemente der Kritik verborgen und oft schon in einer weit den Hegelschen Standpunkt überragenden Weise vorbereitet und ausgearbeitet. Das »unglückliche Bewußtsein«, das »ehrliche Bewußtsein«, der Kampf des »edelmütigen und niederträchtigen Bewußtseins« etc. etc., diese einzelnen Abschnitte enthalten die kritischen Elemente – aber noch in einer entfremdeten Form – ganzer Sphären, wie der Religion, des Staats, des bürgerlichen Lebens etc. Wie also das Wesen, der Gegenstand als Gedankenwesen, so ist das Subjekt immer Bewußtsein oder Selbstbewußtsein, oder vielmehr der Gegenstand erscheint nur als abstraktes Bewußtsein, der Mensch nur als Selbstbewußtsein, die unterschiedenen Gestalten der Entfremdung, die auftreten, sind daher nur verschiedne Gestalten des Bewußtseins und Selbstbewußtseins. Wie an sich das abstrakte Bewußtsein – als welches der Gegenstand gefaßt[573] wird – bloß ein Unterscheidungsmoment des Selbstbewußtseins ist –, so tritt auch als Resultat der Bewegung die Identität des Selbstbewußtseins mit dem Bewußtsein, das absolute Wissen, die nicht mehr nach außen hin, sondern nur noch in sich selbst vorgehende Bewegung des abstrakten Denkens als Resultat auf, d.h. die Dialektik des reinen Gedankens ist das Resultat. ||XVIII|A100

||XXIII|A101 Das Große an der Hegelschen »Phänomenologie« und ihrem Endresultate – der Dialektik der Negativität als dem bewegenden und erzeugenden Prinzip – ist also einmal, daß Hegel die Selbsterzeugung des Menschen als einen Prozeß faßt, die Vergegenständlichung als Entgegenständlichung, als Entäußerung und als Aufhebung dieser Entäußerung; daß er also das Wesen der Arbeit faßt und den gegenständlichen Menschen, wahren, weil wirklichen Menschen, als Resultat seiner eignen Arbeit begreift. Das wirkliche, tätige Verhalten des Menschen zu sich als Gattungswesen oder die Betätigung seiner als eines wirklichen Gattungswesens, d.h. als menschlichen Wesens, ist nur möglich dadurch, daß er wirklich alle seine Gattungskräfte – was wieder nur durch das Gesamtwirken der Menschen möglich ist, nur als Resultat der Geschichte – herausschafft, sich zu ihnen als Gegenständen verhält, was zunächst wieder nur in der Form der Entfremdung möglich ist.

Die Einseitigkeit und die Grenze Hegels werden wir nun ausführlich an dem Schlußkapitel der »Phänomenologie« – »Das absolute Wissen« – ein Kapitel, welches sowohl den zusammengefaßten Geist der Phänomenologie, ihr Verhältnis zur spekulativen Dialektik, als auch das Bewußtsein Hegels über beide und ihr wechselseitiges Verhältnis enthält – darstellen.

Vorläufig nehmen wir nur noch das vorweg: Hegel steht auf dem Standpunkt der modernen Nationalökonomen. Er erfaßt die Arbeit als das Wesen, als das sich bewährende Wesen des Menschen; er sieht nur die positive Seite der Arbeit, nicht ihre negative. Die Arbeit ist das Fürsichwerden des Menschen innerhalb der Entäußerung oder als entäußerter Mensch. Die Arbeit, welche Hegel allein kennt und anerkennt ist die abstrakt geistige. Was also überhaupt das Wesen der Philosophie bildet, die Entäußerung des sich wissenden Menschen oder die sich denkende entäußerte Wissenschaft, dies erfaßt Hegel als ihr Wesen, und er kann daher der vorhergehenden Philosophie gegenüber ihre einzelnen Momente zusammenfassen und seine Philosophie als die Philosophie darstellen. Was die andern Philosophen[574] taten – daß sie einzelne Momente der Natur und des menschlichen Lebens als Momente des Selbstbewußtseins und zwar des abstrakten Selbstbewußtseins fassen –, das weiß Hegel als das Tun der Philosophie. Darum ist seine Wissenschaft absolut.

Gehn wir nun zu unserm Gegenstand über.

»Das absolute Wissen«. Letztes Kapitel der »Phänomenologie«. Die Hauptsache ist, daß der Gegenstand des Bewußtseins nichts andres als das Selbstbewußtsein oder daß der Gegenstand nur das vergegenständlichte Selbstbewußtsein, das Selbstbewußtsein als Gegenstand ist. (Setzen des Menschen = Selbstbewußtsein.)

Es gilt daher den Gegenstand des Bewußtseins zu überwinden. Die Gegenständlichkeit als solche gilt für ein entfremdetes, dem menschlichen Wesen, dem Selbstbewußtsein nicht entsprechendes Verhältnis des Menschen. Die Wiederaneignung des als fremd, unter der Bestimmung der Entfremdung erzeugten gegenständlichen Wesens des Menschen, hat also nicht nur die Bedeutung, die Entfremdung, sondern die Gegenständlichkeit aufzuheben, d.h. also der Mensch gilt als ein nicht-gegenständliches, spiritualistisches Wesen.

Die Bewegung der Überwindung des Gegenstandes des Bewußtseins beschreibt Hegel nun wie folgt:

Der Gegenstand zeigt sich nicht nur (dies ist nach Hegel die einseitige- also die die eine Seite erfassende – Auffassung jener Bewegung) als zurückkehrend in das Selbst. Der Mensch wird = Selbst gesetzt. Das Selbst ist aber nur der abstrakt gefaßte und durch Abstraktion erzeugte Mensch. Der Mensch ist selbstisch. Sein Auge, sein Ohr etc. ist selbstisch; jede seiner Wesenskräfte hat in ihm die Eigenschaft der Selbstigkeit. Aber deswegen ist es nun ganz falsch zu sagen: Das Selbstbewußtsein hat Aug', Ohr, Wesenskraft. Das Selbstbewußtsein ist vielmehr eine Qualität der menschlichen Natur, des menschlichen Auges etc., nicht die menschliche Natur ist eine Qualität des ||XXIV| Selbstbewußtseins.

Das für sich abstrahierte und fixierte Selbst ist der Mensch als abstrakter Egoist, der in seine reine Abstraktion zum Denken erhobne Egoismus. (Wir kommen später hierauf zurück.)

Das menschliche Wesen, der Mensch, gilt für Hegel = Selbstbewußtsein. Alle Entfremdung des menschlichen Wesens ist daher nichts als Entfremdung des Selbstbewußtseins. Die Entfremdung des Selbstbewußtseins gilt nicht als Ausdruck, im Wissen und Denken sich abspiegelnder Ausdruck der wirklichen Entfremdung des menschlichen Wesens. Die wirkliche, als real erscheinende Entfremdung vielmehr ist ihrem innersten verborgnen –[575] und erst durch die Philosophie ans Licht gebrachten – Wesen nach nichts andres als die Erscheinung von der Entfremdung des wirklichen menschlichen Wesens, des Selbstbewußtseins. Die Wissenschaft, welche dies begreift, heißt daher Phänomenologie. Alle Wiederaneignung des entfremdeten gegenständlichen Wesens erscheint daher als eine Einverleibung in das Selbstbewußtsein; der sich seines Wesens bemächtigende Mensch ist nur das der gegenständlichen Wesen sich bemächtigende Selbstbewußtsein. Die Rückkehr des Gegenstandes in das Selbst ist daher die Wiederaneignung des Gegenstandes. –

Allseitig ausgedrückt ist die Überwindung des Gegenstandes des Bewußtseins:

1. daß der Gegenstand als solcher sich dem Bewußtsein als verschwindend darstellt;

2. daß die Entäußerung des Selbstbewußtseins es ist, welche die Dingheit setzt;

3. daß diese Entäußerung nicht nur negative, sondern positive Bedeutung hat;

4. sie nicht nur für uns oder an sich, sondern für es selbst hat.

5. Für es hat das Negative des Gegenstandes oder dessen Sich-Selbst-Aufheben dadurch die positive Bedeutung, oder es weiß diese Nichtigkeit desselben dadurch, daß es sich selbst entäußert, denn in dieser Entäußerung setzt es sich als Gegenstand oder den Gegenstand um der untrennbaren Einheit des Fürsichseins willen als sich selbst.

6. Andrerseits liegt hierin zugleich dies andre Moment, daß es diese Entäußerung und Gegenständlichkeit ebensosehr auch aufgehoben und in sich zurückgenommen hat, also in seinem Anderssein als solchem bei sich ist.

7. Dies ist die Bewegung des Bewußtseins, und dies ist darin die Totalität seiner Momente.

8. Es muß sich ebenso zu dem Gegenstand nach der Totalität seiner Bestimmungen verhalten und ihn nach jeder derselben so erfaßt haben. Diese Totalität seiner Bestimmungen macht ihn an sich zum geistigen Wesen und für das Bewußtsein wird dies in Wahrheit durch das Auffassen einer jeden einzelnen derselben als des Selbsts oder durch das oben genannte geistige Verhalten zu ihnen.

ad 1. Daß der Gegenstand als solcher sich dem Bewußtsein als verschwindend darstellt, ist die oben erwähnte Rückkehr des Gegenstandes in das Selbst.

ad 2. Die Entäußerung des Selbstbewußtseins setzt die Dingheit. Weil der Mensch = Selbstbewußtsein, so ist sein entäußertes gegenständliches Wesen oder die Dingheit (das, was für ihn Gegenstand ist, und Gegenstand[576] ist wahrhaft nur für ihn, was ihm wesentlicher Gegenstand, was also sein gegenständliches Wesen ist. Da nun nicht der wirkliche Mensch, darum auch nicht die Natur – der Mensch ist die menschliche Natur –, als solcher zum Subjekt gemacht wird, sondern nur die Abstraktion des Menschen, das Selbstbewußtsein, so kann die Dingheit nur das entäußerte Selbstbewußtsein sein) = dem entäußerten Selbstbewußtsein, und die Dingheit ist durch diese Entäußerung gesetzt. Daß ein lebendiges, natürliches, mit gegenständlichen, i.e. materiellen Wesenskräften ausgerüstetes und begabtes Wesen auch sowohl wirkliche natürliche Gegenstände seines Wesens hat, als daß seine Selbstentäußerung die Setzung einer wirklichen, aber unter der Form der Äußerlichkeit, also zu seinem Wesen nicht gehörigen und übermächtigen, gegenständlichen Welt ist, ist ganz natürlich. Es ist nichts Unbegreifliches und Rätselhaftes dabei. Vielmehr wäre das Gegenteil rätselhaft. Aber daß ein Selbstbewußtsein durch seine Entäußerung nur die Dingheit, d.h. selbst nur ein abstraktes Ding, ein Ding der Abstraktion und kein wirkliches Ding setzen kann, ist ebenso klar. Es ist ||XXVI| ferner klar, daß die Dingheit daher durchaus nichts Selbständiges, Wesentliches gegen das Selbstbewußtsein, sondern ein bloßes Geschöpf, ein von ihm Gesetztes ist, und das Gesetzte, statt sich selbst zu bestätigen, ist nur eine Bestätigung des Aktes des Setzens, der einen Augenblick seine Energie als das Produkt fixiert und zum Schein ihm die Rolle – aber nur für einen Augenblick – eines selbständigen, wirklichen Wesens erteilt.

Wenn der wirkliche, leibliche, auf der festen wohlgerundeten Erde stehende, alle Naturkräfte aus- und einatmende Mensch seine wirklichen, gegenständlichen Wesenskräfte durch seine Entäußerung als fremde Gegenstände setzt, so ist nicht das Setzen Subjekt; es ist die Subjektivität gegenständlicher Wesenskräfte, deren Aktion daher auch eine gegenständliche sein muß. Das gegenständliche Wesen wirkt gegenständlich, und es würde nicht gegenständlich wirken, wenn nicht das Gegenständliche in seiner Wesensbestimmung läge. Es schafft, setzt nur Gegenstände, weil es durch Gegenstände gesetzt ist, weil es von Haus aus Natur ist. In dem Akt des Setzens fällt es also nicht aus seiner »reinen Tätigkeit« in ein Schaffen des Gegenstandes, sondern sein gegenständliches Produkt bestätigt nur seine gegenständliche Tätigkeit, seine Tätigkeit als die Tätigkeit eines gegenständlichen natürlichen Wesens.

Wir sehn hier, wie der durchgeführte Naturalismus oder Humanismus sich sowohl von dem Idealismus, als dem Materialismus unterscheidet und zugleich ihre beide vereinigende Wahrheit ist. Wir sehn zugleich, wie nur der Naturalismus fähig ist, den Akt der Weltgeschichte zu begreifen.[577]

‹Der Mensch ist unmittelbar Naturwesen. Als Naturwesen und als lebendiges Naturwesen ist er teils mit natürlichen Kräften, mit Lebenskräften ausgerüstet, ein tätiges Naturwesen; diese Kräfte existieren in ihm als Anlagen und Fähigkeiten, als Triebe; teils ist er als natürliches, leibliches, sinnliches, gegenständliches Wesen ein leidendes, bedingtes und beschränktes Wesen, wie es auch das Tier und die Pflanze ist, d.h. die Gegenstände seiner Triebe existieren außer ihm, als von ihm unabhängige Gegenstände; aber diese Gegenstände sind Gegenstände seines Bedürfnisses, zur Betätigung und Bestätigung seiner Wesenskräfte unentbehrliche, wesentliche Gegenstände. Daß der Mensch ein leibliches, naturkräftiges, lebendiges, wirkliches, sinnliches, gegenständliches Wesen ist, heißt, daß er wirkliche, sinnliche Gegenstände zum Gegenstand seines Wesens, seiner Lebensäußerung hat oder daß er nur an wirklichen, sinnlichen Gegenständen sein Leben äußern kann. Gegenständlich, natürlich, sinnlich sein und sowohl Gegenstand, Natur, Sinn außer sich haben oder selbst Gegenstand, Natur, Sinn für ein drittes sein ist identisch.› Der Hunger ist ein natürliches Bedürfnis; er bedarf also einer Natur außer sich, eines Gegenstandes außer sich, um sich zu befriedigen, um sich zu stillen. Der Hunger ist das gestandne Bedürfnis meines Leibes nach einem außer ihm seienden, zu seiner Integrierung und Wesensäußerung unentbehrlichen Gegenstande. Die Sonne ist der Gegenstand der Pflanze, ein ihr unentbehrlicher, ihr Leben bestätigender Gegenstand, wie die Pflanze Gegenstand der Sonne ist, als Äußerung von der lebenserweckenden Kraft der Sonne, von der gegenständlichen Wesenskraft der Sonne.

Ein Wesen, welches seine Natur nicht außer sich hat, ist kein natürliches Wesen, nimmt nicht teil am Wesen der Natur. Ein Wesen, welches keinen Gegenstand außer sich hat, ist kein gegenständliches Wesen. Ein Wesen, welches nicht selbst Gegenstand für ein drittes Wesen ist, hat kein Wesen zu seinem Gegenstand, d.h. verhält sich nicht gegenständlich, sein Sein ist kein gegenständliches.

||XXVII| Ein ungegenständliches Wesen ist ein Unwesen.

Setzt ein Wesen, welches weder selbst Gegenstand ist noch einen Gegenstand hat. Ein solches Wesen wäre erstens das einzige Wesen, es existierte kein Wesen außer ihm, es existierte einsam und allein. Denn sobald es Gegenstände außer mir gibt, sobald ich nicht allein bin, bin ich ein andres, eine andre Wirklichkeit als der Gegenstand außer mir. Für diesen 3ten Gegenstand bin ich also eine andre Wirklichkeit als er, d.h. sein Gegenstand. Ein Wesen, welches nicht Gegenstand eines andren Wesens ist, unterstellt also, daß kein gegenständliches Wesen existiert. Sobald ich[578] einen Gegenstand habe, hat dieser Gegenstand mich zum Gegenstand. Aber ein ungegenständliches Wesen ist ein unwirkliches, unsinnliches, nur gedachtes, d.h. nur eingebildetes Wesen, ein Wesen der Abstraktion. Sinnlich sein, d.h. wirklich sein, ist Gegenstand des Sinns sein, sinnlicher Gegenstand sein, also sinnliche Gegenstände außer sich haben, Gegenstände seiner Sinnlichkeit haben. Sinnlich sein ist leidend sein.

Der Mensch als ein gegenständliches sinnliches Wesen ist daher ein leidendes und, weil sein Leiden empfindendes Wesen, ein leidenschaftliches Wesen. Die Leidenschaft, die Passion ist die nach seinem Gegenstand energisch strebende Wesenskraft des Menschen.

‹Aber der Mensch ist nicht nur Naturwesen, sondern er ist menschliches Naturwesen; d.h. für sich selbst seiendes Wesen, darum Gattungswesen, als welches er sich sowohl in seinem Sein als in seinem Wissen bestätigen und betätigen muß. Weder sind also die menschlichen Gegenstände die Naturgegenstände, wie sie sich unmittelbar bieten, noch ist der menschliche Sinn, wie er unmittelbar ist, gegenständlich ist, menschliche Sinnlichkeit, menschliche Gegenständlichkeit. Weder die Natur – objektiv – noch die Natur subjektiv ist unmittelbar dem menschlichen Wesen adäquat vorhanden.› Und wie alles Natürliche entstehn muß, so hat auch der Mensch seinen Entstehungsakt, die Geschichte, die aber für ihn eine gewußte und darum als Entstehungsakt mit Bewußtsein sich aufhebender Entstehungsakt ist. Die Geschichte ist die wahre Naturgeschichte des Menschen. – (Darauf ist zurückzukommen.)

Drittens, weil dies Setzen der Dingheit selbst nur ein Schein, ein dem Wesen der reinen Tätigkeit widersprechender Akt ist, muß es auch wieder aufgehoben, die Dingheit geleugnet werden.

ad 3, 4, 5, 6. – 3. Diese Entäußerung des Bewußtseins hat nicht nur negative, sondern auch positive Bedeutung und 4. diese positive Bedeutung nicht nur für uns oder an sich, sondern für es, das Bewußtsein, selbst. 5. Für es hat das Negative des Gegenstandes oder dessen Sich-Selbst-Aufheben dadurch die positive Bedeutung, oder es weiß diese Nichtigkeit desselben dadurch, daß es sich selbst entäußert, denn um diese Entäußerung weiß es als Gegenstand oder den Gegenstand um der untrennbaren Einheit des Fürsichseins willen als sich selbst. 6. Andrerseits liegt hierin zugleich das andre Moment, daß es diese Entäußerung und Gegenständlichkeit ebensosehr auch aufgehoben und in sich zurückgenommen hat, also in seinem Anderssein als solchem bei sich ist.

Wir haben schon gesehn. Die Aneignung des entfremdeten gegenständlichen Wesens oder die Aufhebung der Gegenständlichkeit unter der Bestimmung der Entfremdung – die von der gleichgültigen Fremdheit bis zur[579] wirklichen feindseligen Entfremdung fortgehn muß – hat für Hegel zugleich oder sogar hauptsächlich die Bedeutung, die Gegenständlichkeit aufzuheben, weil nicht der bestimmte Charakter des Gegenstandes, sondern sein gegenständlicher Charakter für das Selbstbewußtsein das Anstößige und die Entfremdung ist. Der Gegenstand ist daher ein Negatives, ein sich selbst Aufhebendes, eine Nichtigkeit. Diese Nichtigkeit desselben hat für das Bewußtsein nicht nur eine negative, sondern eine positive Bedeutung, denn jene Nichtigkeit des Gegenstandes ist eben die Selbstbestätigung der Ungegenständlichkeit, der ||XXVIII| Abstraktion, seiner selbst. Für das Bewußtsein selbst hat die Nichtigkeit des Gegenstands darum eine positive Bedeutung, daß es diese Nichtigkeit, das gegenständliche Wesen, als seine Selbstentäußerung weiß; daß es weiß, daß sie nur ist durch seine Selbstentäußerung...

Die Art, wie das Bewußtsein ist, und wie etwas für es ist, ist das Wissen. Das Wissen ist sein einziger Akt. Etwas wird daher für dasselbe, insofern es dies Etwas weiß. Wissen ist sein einziges gegenständliches Verhalten. – Es weiß nun die Nichtigkeit des Gegenstandes, d.h. das Nichtunterschiedensein des Gegenstandes von ihm, das Nichtsein des Gegenstandes für es – dadurch, daß es den Gegenstand als seine Selbstentäußerung weiß, d.h. sich – das Wissen als Gegenstand – dadurch weiß, daß der Gegenstand nur der Schein eines Gegenstandes, ein vorgemachter Dunst ist, seinem Wesen nach aber nichts andres als das Wissen selbst, welches sich sich selbst entgegengestellt und daher sich eine Nichtigkeit, ein Etwas entgegengestellt hat, was keine Gegenständlichkeit außer dem Wissen hat; oder das Wissen weiß, daß es, indem es sich zu einem Gegenstand verhält, nur außer sich ist, sich entäußert; daß es selbst sich nur als Gegenstand erscheint, oder daß das, was ihm als Gegenstand erscheint, nur es selbst ist.

Andrerseits, sagt Hegel, liegt hierin zugleich dies andre Moment, daß es diese Entäußerung und Gegenständlichkeit ebensosehr aufgehoben und in sich zurückgenommen hat, also in seinem Anderssein als solchem bei sich ist.

Wir haben in dieser Auseinandersetzung alle Illusionen der Spekulation zusammen.

Einmal: Das Bewußtsein, das Selbstbewußtsein ist in seinem Anderssein als solchem bei sich. Es ist daher – oder wenn wir hier von der Hegelschen Abstraktion abstrahieren und statt das Selbstbewußtsein das Selbstbewußtsein des Menschen setzen –, es ist in seinem Anderssein als solchem bei sich. Darin liegt einmal, daß das Bewußtsein – das Wissen als Wissen – das Denken als Denken – unmittelbar das andre seiner selbst [zu] sein, Sinnlichkeit, Wirklichkeit, Leben zu sein vorgibt – das im Denken sich überbietende[580] Denken. (Feuerbach.) Diese Seite ist hierin enthalten, insofern das Bewußtsein als nur Bewußtsein nicht an der entfremdeten Gegenständlichkeit, sondern an der Gegenständlichkeit als solcher seinen Anstoß hat.

Zweitens liegt hierin, daß der selbstbewußte Mensch, insofern er die geistige Welt – oder das geistige allgemeine Dasein seiner Welt – als Selbstentäußerung erkannt und aufgehoben hat, er dieselbe dennoch wieder in dieser entäußerten Gestalt bestätigt und als sein wahres Dasein ausgibt, sie wiederherstellt, [in seinem]A102 Anderssein als solchem bei sich zu sein vorgibt, also nach Aufhebung z.B. der Religion, nach der Erkennung der Religion als eines Produkts der Selbstentäußerung, dennoch in der Religion als Religion sich bestätigt findet. Hier ist die Wurzel des falschen Positivismus Hegels oder seines nur scheinbaren Kritizismus: was Feuerbach als Setzen, Negieren und Wiederherstellen der Religion oder Theologie bezeichnet – was aber allgemeiner zu fassen ist. Also die Vernunft ist bei sich in der Unvernunft als Unvernunft. Der Mensch, der in Recht, Politik etc. ein entäußertes Leben zu führen erkannt hat, führt in diesem entäußerten Leben als solchem sein wahres menschliches LebenA103. Die Selbstbejahung, Selbstbestätigung im Widerspruch mit sich selbst, sowohl mit dem Wissen als mit dem Wesen des Gegenstandes, ist also das wahre Wissen und Leben.

Von einer Akkommodation Hegels gegen Religion, Staat etc. kann also keine Rede mehr sein, da diese Lüge die Lüge seines Prinzips ist.

||XXIX| Wenn ich die Religion als entäußertes menschliches Selbstbewußtsein weiß, so weiß ich also in ihr als Religion nicht mein Selbstbewußtsein, sondern mein entäußertes Selbstbewußtsein in ihr bestätigt. Mein sich selbst, seinem Wesen angehöriges Selbstbewußtsein weiß ich also dann nicht in der Religion, sondern vielmehr in der vernichteten, aufgehobnen Religion bestätigt.

Bei Hegel ist die Negation der Negation daher nicht die Bestätigung des wahren Wesens, eben durch Negation des Scheinwesens, sondern die Bestätigung des Scheinwesens oder des sich entfremdeten Wesens in seiner Verneinung oder die Verneinung dieses Scheinwesens als eines gegenständlichen, außer dem Menschen hausenden und von ihm unabhängigen Wesens und seine Verwandlung in das Subjekt.

Eine eigentümliche Rolle spielt daher das Aufheben, worin die Verneinung und die Aufbewahrung, die Bejahung verknüpft sind.

So z.B. ist in Hegels Rechtsphilosophie das aufgehobne Privatrecht = Moral, die aufgehobne Moral = Familie, die aufgehobne Familie = [581] bürgerlicher Gesellschaft, die aufgehobne bürgerliche Gesellschaft = Staat, der aufgehobne Staat = Weltgeschichte. In der Wirklichkeit bleiben Privatrecht, Moral, Familie, bürgerliche Gesellschaft, Staat etc. bestehn, nur sind sie zu Momenten geworden, zu Existenzen und Daseinsweisen des Menschen, die nicht isoliert gelten, sich wechselseitig auflösen und erzeugen etc., Momente der Bewegung.

In ihrer wirklichen Existenz ist dies ihr bewegliches Wesen verborgen. Zum Vorschein, zur Offenbarung kömmt es erst im Denken, in der Philosophie, und darum ist mein wahres religiöses Dasein mein religionsphilosophisches Dasein, mein wahres politisches Dasein mein rechtsphilosophisches Dasein, mein wahres natürliches Dasein das naturphilosophische Dasein, mein wahres künstlerisches Dasein das kunstphilosophische Dasein, mein wahres menschliches Dasein mein philosophisches Dasein. Ebenso ist die wahre Existenz von Religion, Staat, Natur, Kunst: die Religions-, Natur-, Staats-, Kunstphilosophie. Wenn aber nur die Religionsphilosophie etc. mir das wahre Dasein der Religion ist, so bin ich auch nur als Religionsphilosoph wahrhaft religiös, und so verleugne ich die wirkliche Religiosität und den wirklich religiösen Menschen. Aber zugleich bestätige ich sie, teils innerhalb meines eignen Daseins oder innerhalb des fremden Daseins, das ich ihnen entgegensetze, denn dieses ist nur ihr philosophischer Ausdruck; teils in ihrer eigentümlichen ursprünglichen Gestalt, denn sie gelten mir als das nur scheinbare Anderssein, als Allegorien, unter sinnlichen Hüllen verborgne Gestalten ihres eignen wahren, id est meines philosophischen Daseins.

Ebenso ist die aufgehobne Qualität = Quantität, die aufgehobne Quantität = Maß, das aufgehobne Maß = Wesen, das aufgehobne Wesen = Erscheinung, die aufgehobne Erscheinung = Wirklichkeit, die aufgehobne Wirklichkeit = Begriff, der aufgehobne Begriff = Objektivität, die aufgehobne Objektivität = absoluter Idee, die aufgehobne absolute Idee = Natur, die aufgehobne Natur = subjektivem Geist, der aufgehobne subjektive Geist = sittlichem objektivem Geist, der aufgehobne sittliche Geist = Kunst, die aufgehobne Kunst = Religion, die aufgehobne Religion = absolutem Wissen.

Einerseits ist dies Aufheben ein Aufheben des gedachten Wesens, also das gedachte Privateigentum hebt sich auf in den Gedanken der Moral. Und weil das Denken sich einbildet, unmittelbar das andre seiner selbst zu sein, sinnliche Wirklichkeit, also ihm seine Aktion auch für sinnliche wirkliche Aktion gilt, so glaubt dies denkende Aufheben, welches seinen Gegenstand in der Wirklichkeit stehnläßt, ihn wirklich überwunden zu haben und andrerseits, weil er ihm nun als Gedankenmoment geworden ist, darum[582] gilt er ihm auch in seiner Wirklichkeit als Selbstbestätigung seiner selbst, des Selbstbewußtseins, der Abstraktion.

||XXX| Nach der einen Seite hin ist das Dasein, welches Hegel in die Philosophie aufhebt, daher nicht die wirkliche Religion, Staat, Natur, sondern die Religion selbst schon als ein Gegenstand des Wissens, die Dogmatik, so die Jurisprudenz, Staatswissenschaft, Naturwissenschaft. Nach der einen Seite steht er also im Gegensatz sowohl zu dem wirklichen Wesen als zu der unmittelbaren unphilosophischen Wissenschaft oder zu den unphilosophischen Begriffen dieses Wesens. Er widerspricht daher ihren gangbaren Begriffen.

Andrerseits kann sich der religiöse etc. Mensch in Hegel seine letzte Bestätigung finden.

Es sind nun die positiven Momente der Hegelschen Dialektik – innerhalb der Bestimmung der Entfremdung – zu fassen.

a) Das Aufheben, als gegenständliche, die Entäußerung in sich zurücknehmende Bewegung. – Es ist dies die innerhalb der Entfremdung ausgedrückte Einsicht von der Aneignung des gegenständlichen Wesens durch die Aufhebung seiner Entfremdung, die entfremdete Einsicht in die wirkliche Vergegenständlichung des Menschen, in die wirkliche Aneignung seines gegenständlichen Wesens durch die Vernichtung der entfremdeten Bestimmung der gegenständlichen Welt, durch ihre Aufhebung, in ihrem entfremdeten Dasein, wie der Atheismus als Aufhebung Gottes das Werden des theoretischen Humanismus, der Kommunismus als Aufhebung des Privateigentums die Vindikation des wirklichen menschlichen Lebens als seines Eigentums ist, das Werden des praktischen Humanismus ist, oder der Atheismus ist der durch Aufhebung der Religion, der Kommunismus der durch Aufhebung des Privateigentums mit sich vermittelte Humanismus. Erst durch die Aufhebung dieser Vermittelung – die aber eine notwendige Voraussetzung ist – wird der positiv von sich selbst beginnende, der positive Humanismus.

Aber Atheismus, Kommunismus sind keine Flucht, keine Abstraktion, kein Verlieren der von dem Menschenerzeugten gegenständlichen Welt, seiner zur Gegenständlichkeit herausgebornen Wesenskräfte, keine zur unnatürlichen, unentwickelten Einfachheit zurückkehrende Armut. Sie sind vielmehr erst das wirkliche Werden, die wirklich für den Menschen gewordne Verwirklichung seines Wesens und seines Wesens als eines wirklichen.

Hegel faßt also. Indem er den positiven Sinn der auf sich selbst bezognen Negation – wenn auch wieder in entfremdeter Weise – faßt, die[583] Selbstentfremdung, Wesensentäußerung, Entgegenständlichung und Entwirklichung des Menschen als Selbstgewinnung, Wesensäußerung, Vergegenständlichung, Verwirklichung. ‹Kurz, er faßt – innerhalb der Abstraktion – die Arbeit als den Selbsterzeugungsakt des Menschen, das Verhalten zu sich als fremdem Wesen und das Betätigen seiner als eines fremden Wesens als das werdende Gattungsbewußtsein und Gattungsleben.

b) Bei Hegel – abgesehn oder vielmehr als Konsequenz der schon geschilderten Verkehrtheit – erscheint dieser Akt aber einmal als ein nur formeller, weil als ein abstrakter, weil das menschliche Wesen selbst nur als abstraktes denkendes Wesen, als Selbstbewußtsein gilt; und

zweitens, weil die Fassung formell und abstrakt ist, darum wird die Aufhebung der Entäußerung zu einer Bestätigung der Entäußerung, oder für Hegel ist jene Bewegung des Selbsterzeugens, des Selbstvergegenständlichens als Selbstentäußerung und Selbstentfremdung die absolute und darum die letzte, sich selbst bezweckende und in sich beruhigte, bei ihrem Wesen angelangte menschliche Lebensäußerung.

Diese Bewegung in ihrer abstrakten ||XXXI| Form als Dialektik gilt daher als das wahrhaft menschliche Leben, und weil es doch eine Abstraktion eine Entfremdung des menschlichen Lebens ist, gilt es als göttlicher Prozeß, aber als der göttliche Prozeß des Menschen – ein Prozeß, den sein von ihm unterschiednes abstraktes, reines, absolutes Wesen selbst durchmacht.

Drittens: Dieser Prozeß muß einen Träger haben, ein Subjekt; aber das Subjekt wird erst als Resultat; dies Resultat, das sich als absolutes Selbstbewußtsein wissende Subjekt, ist daher der Gott, absoluter Geist, die sich wissende und betätigende Idee. Der wirkliche Mensch und die wirkliche Natur werden bloß zu Prädikaten, zu Symbolen dieses verborgnen unwirklichen Menschen und dieser unwirklichen Natur. Subjekt und Prädikat haben daher das Verhältnis einer absoluten Verkehrung zueinander, mystisches Subjekt-Objekt oder über das Objekt übergreifende Subjektivität, das absolute Subjekt als ein Prozeß, als sich entäußerndes und aus der Entäußerung in sich zurückkehrendes, aber sie zugleich in sich zurücknehmendes Subjekt und das Subjekt als dieser Prozeß; das reine, rastlose Kreisen in sich.

Einmal. Formelle und abstrakte Fassung des Selbsterzeugungs- oder Selbstvergegenständlichungsakts des Menschen.

Der entfremdete Gegenstand, die entfremdete Wesenswirklichkeit des Menschen ist – da Hegel den Menschen = Selbstbewußtsein setzt – nichts als Bewußtsein, nur der Gedanke der Entfremdung, ihr abstrakter und darum inhaltsloser und unwirklicher Ausdruck, die Negation. Die Aufhebung der Entäußerung ist daher ebenfalls nichts als eine abstrakte, inhaltslose[584] Aufhebung jener inhaltslosen Abstraktion, die Negation der Negation. Die inhaltsvolle, lebendige, sinnliche, konkrete Tätigkeit der Selbstvergegenständlichung wird daher zu ihrer bloßen Abstraktion, der absoluten Negativität, eine Abstraktion, die wieder als solche fixiert und als eine selbständige Tätigkeit, als die Tätigkeit schlechthin gedacht wird. Weil diese sogenannte Negativität nichts andres ist als die abstrakte, inhaltslose Form jenes wirklichen lebendigen Aktes, darum kann auch ihr Inhalt bloß ein formeller, durch die Abstraktion von allem Inhalt erzeugter Inhalt sein. Es sind daher die allgemeinen, abstrakten, jedem Inhalt angehörigen, darum auch sowohl gegen allen Inhalt gleichgültigen, als eben darum für jeden Inhalt gültigen Abstraktionsformen, die Denkformen, die logischen Kategorien, losgerissen vom wirklichen Geist und von der wirklichen Natur. (Wir werden den logischen Inhalt der absoluten Negativität weiter unten entwickeln.)

Das Positive, was Hegel hier vollbracht hat – in seiner spekulativen Logik – ist, daß die bestimmten Begriffe, die allgemeinen fixen Denkformen in ihrer Selbständigkeit gegen Natur und Geist ein notwendiges Resultat der allgemeinen Entfremdung des menschlichen Wesens, also auch des menschlichen Denkens sind und daß Hegel sie daher als Momente des Abstraktionsprozesses dargestellt und zusammengefaßt hat. Z.B. das aufgehobne Sein ist Wesen, das aufgehobne Wesen Begriff, der aufgehobne Begriff... absolute Idee. Aber was ist nun die absolute Idee? Sie hebt sich selbst wieder auf, wenn sie nicht wieder von vorn den ganzen Abstraktionsakt durchmachen und sich damit begnügen will, eine Totalität von Abstraktionen oder die sich erfassende Abstraktion zu sein. Aber die sich als Abstraktion erfassende Abstraktion weiß sich als nichts; sie muß sich, die Abstraktion, aufgeben, und so kömmt sie bei einem Wesen an, welches grade ihr Gegenteil ist, bei der Natur. Die ganze Logik ist also der Beweis, daß das abstrakte Denken für sich nichts ist, daß die absolute Idee für sich nichts ist, daß erst die Natur etwas ist.

||XXXII| Die absolute Idee, die abstrakte Idee, welche

»nach ihrer Einheit 'mit sich betrachtet Anschauen ist« (Hegels »Encyclopädie«, 3te Ausgabe, p.222 [§244]), welche (I. c.) »in der absoluten Wahrheit ihrer selbst sich entschließt, das Moment ihrer Besonderheit oder des ersten Bestimmens und Andersseins, die unmittelbare Idee, als ihren Widerschein, sich als Natur frei aus sich zu entlassen« (I. c.),

diese ganze, so sonderbar und barock sich gebarende Idee, welche den Hegelianern ungeheure Kopfschmerzen verursacht hat, ist durchaus nichts anders als die Abstraktion, i.e. der abstrakte Denker, die, durch Erfahrung[585] gewitzigt und über ihre Wahrheit aufgeklärt, sich unter mancherlei – falschen und selbst noch abstrakten – Bedingungen dazu entschließt, sich aufzugeben und ihr Anderssein, das Besondere, Bestimmte an die Stelle ihres Beisichseins, NichtsseinsA104, ihrer Allgemeinheit und ihrer Unbestimmtheit zu setzen, die Natur, die sie nur als Abstraktion, als Gedankending in sich verbarg, frei aus sich zu entlassen, d.h. die Abstraktion zu verlassen und sich einmal die von ihr freie Natur anzusehn. Die abstrakte Idee, die unmittelbar Anschauen wird, ist durchaus nichts andres als das abstrakte Denken, das sich aufgibt und zur Anschauung entschließt. Dieser ganze Übergang der Logik in die Naturphilosophie ist nichts andres als der – dem abstrakten Denker so schwer zu bewerkstelligende und daher so abenteuerlich von ihm beschriebne Übergang aus dem Abstrahieren in das Anschauen. Das mystische Gefühl, was den Philosophen aus dem abstrakten Denken in das Anschauen treibt, ist die Langweile, die Sehnsucht nach einem Inhalt.

(Der sich selbst entfremdete Mensch ist auch seinem Wesen, d.h. dem natürlichen und menschlichen Wesen entfremdeter Denker. Seine Gedanken sind daher außer der Natur und dem Menschen hausende fixe Geister. Hegel hat in seiner Logik alle diese fixen Geister zusammengesperrt, jeden derselben einmal als Negation, d.h. als Entäußerung des menschlichen Denkens, dann als Negation der Negation, d.h. als Aufhebung dieser Entäußerung, als wirkliche Äußerung des menschlichen Denkens gefaßt; aber da – als selbst noch in der Entfremdung befangen – ist diese Negation der Negation teils das Wiederherstellen derselben in ihrer Entfremdung, teils das Stehnbleiben bei dem letzten Akt, das Sichaufsichbeziehn in der Entäußerung, als dem wahren Dasein dieser fixen Geister4, teils insofern diese Abstraktion sich selbst erfaßt und über sich selbst eine unendliche Langweile empfindet, erscheint bei Hegel das Aufgeben des[586] abstrakten, nur im Denken sich bewegenden Denkens, das ohne Äug', ohn' Zahn, ohn' Ohr, ohn' alles ist, als Entschließung, die Natur als Wesen anzuerkennen und sich auf die Anschauung zu verlegen.)

||XXXIII| Aber auch die Natur, abstrakt genommen, für sich, in der Trennung vom Menschen fixiert, ist für den Menschen nichts. Daß der abstrakte Denker, der sich zum Anschauen entschlossen hat, sie abstrakt anschaut, versteht sich von selbst. Wie die Natur, von dem Denker in seiner ihm selbst verborgnen und rätselhaften Gestalt, als absolute Idee, als Gedankending eingeschlossen lag, so hat er in Wahrheit, indem er sie aus sich entlassen hat, nur diese abstrakte Natur – aber nun mit der Bedeutung, daß sie das Anderssein des Gedankens ist, daß sie die wirkliche angeschaute, vom abstrakten Denken unterschiedne Natur ist – nur das Gedankending der Natur aus sich entlassen. Oder, um eine menschliche Sprache zu reden, bei seiner Naturanschauung erfährt der abstrakte Denker, daß die Wesen, welche er in der göttlichen Dialektik als reine Produkte der in sich selbst webenden und nirgends in die Wirklichkeit hinausschauenden Arbeit des Denkens aus dem Nichts, aus der puren Abstraktion zu schaffen meinte, nichts andres sind, als Abstraktionen von Naturbestimmungen. Die ganze Natur wiederholt ihm also nur in einer sinnlichen, äußerlichen Form die logischen Abstraktionen. – Er analysiert sie und diese Abstraktionen wieder. Seine Naturanschauung ist also nur der Bestätigungsakt seiner Abstraktion von der NaturanschauungA105, der von ihm mit Bewußtsein wiederholte Zeugungsgang seiner Abstraktion. So ist z.B. die Zeit = Negativität, die sich auf sich bezieht (p. 238 I. c.). Dem aufgehobnen Werden als Dasein entspricht – in natürlicher Form – die aufgehobne Bewegung als Materie. Das Licht ist – die natürliche Form – die Reflexion in sich. Der Körper als Mond und Komet ist – die natürliche Form – des Gegensatzes, der nach der Logik einerseits das auf sich selbst ruhende Positive, andrerseits das auf sich selbst ruhende Negative ist. Die Erde ist die natürliche Form des logischen Grundes, als negative Einheit des Gegensatzes etc.

Die Natur als Natur, d.h. insofern sie sich sinnlich noch unterscheidet von jenem geheimen, in ihr verborgnen Sinn, die Natur getrennt, unterschieden von diesen Abstraktionen ist Nichts, ein sich als Nichts bewährendes Nichts, ist sinnlos oder hat nur den Sinn einer Äußerlichkeit, die aufgehoben werden muß.[587]

»In dem endlich-teleologischen Standpunkt findet sich die richtige Voraussetzung, daß die Natur den absoluten Zweck nicht in ihr selbst enthält.« p. 225 [§ 245].

Ihr Zweck ist die Bestätigung der Abstraktion.

»Die Natur hat sich als die Idee in der Form des Andersseins ergeben. Da die Idee so als das Negative ihrer selbst oder sich äußerlich ist, so ist die Natur nicht äußerlich, nur relativ gegen diese Idee, sondern die Äußerlichkeit macht die Bestimmung aus, in welcher sie als Natur ist.« p. 227 [§ 247].

Die Äußerlichkeit ist hier nicht als die sich äußernde und dem Licht, dem sinnlichen Menschen erschloßne Sinnlichkeit zu verstehn. Die Äußerlichkeit ist hier im Sinne der Entäußerung, eines Fehlers, eines Gebrechens, das nicht sein soll, zu nehmen. Denn das Wahre ist immer noch die Idee. Die Natur ist nur die Form ihres Andersseins. Und da das abstrakte Denken das Wesen ist, so ist das, was ihm äußerlich ist, seinem Wesen nach ein nur Äußerliches. Der abstrakte Denker erkennt zugleich an, daß die Sinnlichkeit das Wesen der Natur ist, die Äußerlichkeit im Gegensatz zu dem in sich webenden Denken. Aber zugleich spricht er diesen Gegensatz so aus, daß diese Äußerlichkeit der Natur ihr Gegensatz zum Denken, ihr Mangel, daß sie, insofern sie sich von der Abstraktion unterscheidet, ein mangelhaftes Wesen ist. ||XXXIV| Ein nicht nur für mich, in meinen Augen mangelhaftes, ein an sich selbst mangelhaftes Wesen hat etwas außer sich, was ihm mangelt. D.h. sein Wesen ist ein andres als es selbst. Die Natur muß sich daher selbst aufheben für den abstrakten Denker, weil sie schon von ihm als ein der Potenz nach aufgehobenes Wesen gesetzt ist.

»Der Geist hat für uns die Natur zu seiner Voraussetzung, deren Wahrheit und damit deren absolutes Erstes er ist. In dieser Wahrheit ist die Natur verschwunden, und der Geist hat sich als die zu ihrem Fürsichsein gelangte Idee ergeben, deren Objekt ebensowohl als das Subjekt der Begriff ist. Diese Identität ist absolute Negativität, weil in der Natur der Begriff seine vollkommene äußerliche Objektivität hat, diese seine Entäußerung aber aufgehoben, und er in dieser sich identisch mit sich geworden ist. Er ist diese Identität somit nur als Zurückkommen aus der Natur.« p.392 [§ 381].

»Das Offenbaren, welches als die abstrakte Idee unmittelbarer Übergang, Werden der Natur ist, ist als Offenbaren des Geistes, der frei ist, Setzen der Natur als seiner Welt; ein Setzen, das als Reflexion zugleich Voraussetzen der Welt als selbständiger Natur ist. Das Offenbaren im Begriffe ist Erschaffen derselben als seines Seins, in welchem er die Affirmation und Wahrheit seiner Freiheit sich gibt.« »Das Absolute ist der Geist: dies ist die höchste Definition des Absoluten.« [p. 393, § 384.] |XXXIV||[588]


A97

in der Handschrift: in Bewegung

A98

Am unteren Rand der Manuskriptseite steht ohne Verweis die Bemerkung: Feuerbach faßt noch die Negation der Negation, den konkreten Begriff als das sich im Denken überbietende und als Denken unmittelbar Anschauung, Natur, Wirklichkeit sein wollende Denken.

A99

in der Handschrift steht der Hinweis: (Siehe p. XIII.)

A100

in der Handschrift steht der Hinweis: (Siehe Fortsetzung p. XXII.)

A101

in der Handschrift steht der Hinweis: (Sieh p. XVIII.)

A102

Durch einen Tintenfleck verdeckt.

A103

in der Handschrift: ist

A104

»Nichtsseins« steht in der Handschrift über »Beisichseins«

4

(d.h. – Hegel setzt den in sich kreisenden Akt der Abstraktion an die Stelle jener fixen Abstraktionen; damit hat er einmal das Verdienst, die Geburtsstätte aller dieser ihrem ursprünglichen Datum nach einzelnen Philosophen zugehörigen ungehörigen Begriffe nachgewiesen, sie zusammengefaßt und statt einer bestimmten Abstraktion die in ihrem ganzen Umkreis erschöpfte Abstraktion als Gegenstand der Kritik geschaffen zu haben) (warum Hegel das Denken vom Subjekt trennt, werden wir später sehn; es ist aber jetzt schon klar, daß, wenn der Mensch nicht ist, auch seine Wesensäußerung nicht menschlich sein kann, also auch das Denken nicht als Wesensäußerung des Menschen als eines menschlichen und natürlichen mit Augen, Ohren etc. in der Gesellschaft und Welt und Natur lebenden Subjekts gefaßt werden konnte.)

A105

In der Handschrift folgt die gestrichene Stelle: Betrachten wir einen Augenblick die Hegelsche Naturbestimmung und den Übergang aus der Natur in den Geist. Die Natur hat sich als die Idee in der Form des Andersseins ergeben. Da die Id[ee]

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1968, Band 40.
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