12

[261] Man darf sich, ich hatte es schon gesagt, von der ziffernmäßigen Größe dieser Seemacht keine falsche Vorstellung bilden. Die Insel hatte zur Kaftizeit sicher nicht mehr als 100000 Bewohner1 in mehreren Stämmen und Schichten, von denen gewiß nur ein Bruchteil der politischen Organisation der Kafti im engeren Sinne angehörte, teilweise vielleicht als grollende Untertanen, Heloten, bei denen jeder fremde Angreifer sofort Unterstützung fand. Andere Stämme werden so gut wie unabhängig gewesen sein. Wenn der Herrenschicht für ihre großen Fahrten 100 oder 200 seetüchtige Schiffe zur Verfügung standen mit vielleicht 5–8000 Mann Besatzung, zum großen Teil wohl gepreßte Ruderer, die schnell verbraucht und durch Menschenraub ersetzt wurden,2 so war das damals eine ungeheure Macht.[261]

Man braucht nur an die ägyptischen Expeditionen der Königin Hatschepsut nach Punt und, Jahrhunderte später, des Wen Amon nach Byblos zu denken, die sicher noch kein Dutzend Schiffe in Anspruch nahmen, um die Überlegenheit der Kafti zu ahnen.

Die große Seefahrt hatte damals wenige, aber um so wichtigere Richtungen. Der nahe Norden, das Ägäische Meer, kam nicht in Betracht und erst recht nicht das Schwarze Meer, obwohl Troja II schon längst in Trümmern lag und Troja VI um 1600 noch nicht gebaut, die Durchfahrt also verhältnismäßig sicher war. Ohne Zweifel saßen aber auf den vielen Inseln kleine gefährliche Piratenstämme, die sich auf ihren Raubfahrten bis an die peloponnesische und kleinasiatische Küste wagten3 – vielleicht sollen die primitiven Schiffszeichnungen auf Tonpfannen von Syros den Typ ihrer flinken Boote darstellen –, und der Verkehr mit der wilden Bevölkerung Thessaliens und Thrakiens hätte ohnehin kein wertvolles Objekt, also keinen Sinn gehabt. Nicht viel anders scheint es im Süden gestanden zu haben, obwohl die Fahrt durch das insellose Libysche Meer von einer Meeresströmung unterstützt wird. Aber bis jetzt wenigstens ist an der Küste von Barka bis zur westlichen Nilmündung kein Landeplatz aus dieser Zeit entdeckt worden, dessen Funde unmittelbaren Verkehr mit Kreta beweisen.4

Es blieben nur zwei Richtungen übrig, nach Ost und West, Alaschia und Tartessos, aber sie stellten zusammen den wichtigsten Verkehrsweg dar, den das zweite Jahrtausend überhaupt gekannt hat. In Alaschia, der »Levante«, trafen die beiden einzigen Zivilisationen der damaligen Welt zusammen, denn auch die ägyptische Seefahrt, die nur eine verlängerte Nilfahrt war,5[262] fand dort ihr einziges Ziel und ihr Ende. Und in Tarschisch, dem »Abendland«, saßen rings um das westliche Mittelmeer und darüber hinaus mächtige Stämme der frühgeschichtlichen Westkultur, die den beiden andern, der nordeurasischen und der südasiatischen, an innerer Entwicklung weit voraus war. Das Meer aber ist bis zum Anbruch der abendländischen Zivilisation im 19. Jahrhundert mit ihren maschinellen Verkehrsmitteln, Eisenbahn, Auto und Flugzeug, das eigentliche völkerverbindende Element gewesen, während die großen Festländer in ihren Gebirgen, Sümpfen, Wüsten und vor allem Urwäldern trennende Schranken des Verkehrs besaßen, die mit damaligen Mitteln nur an wenigen Stellen überwunden werden konnten.6 Da die Seeschiffahrt hier, im alten Westen, entstanden ist,7 so war hier auch die Verbindung unter den Küstenstämmen viel früher in festere Formen, gleichviel ob feindlicher oder freundlicher Natur, gebracht worden als im Indischen und Stillen Ozean, wo sich ein bedeutender Seeverkehr erst mit dem Anbruch der antiken Zivilisation im Machtbereich Alexanders des Großen, und der indischen seit den brahmanischen und buddhistischen Eroberungen in Indonesien und Hinterindien, also etwa seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. entwickelt hat. Erst die Araber und Japaner haben eine eigentliche Macht zur See besessen.

Der Weg von Tarschisch nach Alaschia gab demjenigen, der einen Blick für seine Bedeutung hatte und sich an der für die damalige Art von Schiffahrt, die an Küsten und Inseln gebunden war, entscheidenden Stelle, in Kreta, festsetzte, eine Macht ohnegleichen in die Hand, und das haben zuerst die Kafti begriffen, wie Napoleon zuerst die ähnliche Bedeutung Ägyptens, d.h. der Landenge von Suez, für das folgende Jahrhundert der beginnenden abendländischen Weltzivilisation richtig voraussah. Die Kafti haben diese Stellung Verkehrs- und machtpolitisch ausgebaut und um 1400 erst nach erbitterten Kämpfen, die mit ihrem Untergang endeten, andern überlassen müssen.[263]

Bei weitem am wichtigsten war der Ostweg, die Straße nach Alaschia, dem »Morgenland«. Hier im hochzivilisierten Grenzgebiet ägyptischen und babylonischen Einflusses – von Kypros bis zum Euphrat und zum Libanon – häuften sich Bildung, Luxus und Reichtum zweier Welten. In den Städten lebte eine internationale, vielsprachige Gesellschaft, an welcher die Kafti ohne Zweifel teilgenommen und von der sie viel gelernt haben. Vor allem die Technik und Taktik des Fernhandels, wie er derartige »Zwischenländer« zu allen Zeiten beherrscht hat.8 Er war in Babylonien viel stärker entwickelt als in Ägypten, weil er seinem Wesen nach aus dem Unternehmungsgeist einzelner stammt. In diesen beiden Welten tritt zum erstenmal in der Geschichte der Gegensatz von Privatwirtschaft dort und Staatswirtschaft hier hervor.9 Das Rechtsdenken geht in Ägypten vom staatlichen, in Babylon vom Privatleben aus. Auch die Seefahrt nach Byblos und Punt ist ein Staatsunternehmen gewesen. Aber die imperialistische Tendenz, die notwendig zum politischen Stil jeder »Neuzeit« gehört,10 wirkte hier von zwei Seiten her, von denen keine ein entschiedenes Übergewicht besaß, und schuf so durch Jahrhunderte hindurch eine schwankende Lage, welche von allen Seiten macht- und besitzhungrige Elemente anzog, damals die Kafti und das, was heutige Historiker an dieser Stelle »Hyksos« nennen, und wenig später die Hethiter, Assyrer und Aramäer.

Auch die Seefahrt der Ägypter endete hier, da es eine direkte Fahrt zwischen Kreta und dem Nil damals nicht gegeben hat. Das beweist das beiderseitige Fehlen von grobem Gebrauchgeschirr unter den Funden, wie es Matrosen an den Landeplätzen liegen lassen. Und sicher ist nie ein ägyptisches Schiff in den[264] Meeren von Tarschisch erschienen, nach denen sie nicht neugierig gewesen sind. Ihr geographischer Horizont nach Westen endete in der Libyschen Wüste. Noch 1000 Jahre später, zur Zeit der karthagischen Großmacht, lag der starke Verkehr zwischen Ägypten und Karthago, Sizilien, Etrurien ausschließlich in griechischen und phönikischen Händen. Die Fahrten nach Punt und Byblos zur Zeit der 18. Dynastie, die als »Neuzeit« den Höhepunkt ägyptischer Schiffahrt darstellt, bestätigen als Ausnahmen die Tatsache, daß die Bewohner des Niltals keine Seefahrer gewesen sind. Ebenso ließen sie eher mit sich handeln, als daß sie selbst Handel trieben.

Trotzdem besaßen ägyptische Schiffe an der Küste vom Nil bis Byblos damals offenbar ein praktisches Monopol, weil die Stämme auf dem Festland ägyptischem Einfluß unterstanden. Es ist kaum denkbar, daß Kaftischiffe hier regelmäßig gefahren sind. Um so entschiedener muß das Monopol der Kafti in »Alaschia« selbst gewesen sein, also um Kypros herum und an den Landeplätzen nördlich von Byblos. Und da die Schiffahrt an die Küste gebunden war, so versteht es sich von selbst, daß auch in Kilikien, Pamphylien, Karien und auf Rhodos ausschließlich ihre Macht in Erscheinung trat. Die Formen der politischen Einflußnahme müssen die gleichen gewesen sein, wie sie zu allen Zeiten in ähnlichen Lagen sich von selbst ergeben: Stützpunkte und gesicherte Hafenplätze waren notwendig, also Verträge mit eingeborenen Stämmen und Kleinkönigen, die man durch Besatzungen gegen ihre Feinde schützte und bei eigenen Eingriffen in die Verhältnisse als Söldner in Anspruch nahm, die Tribut zahlten oder Geschenke empfingen, zwischen denen man als Schiedsrichter auftrat und mit denen die Freundschaft oft durch politische Heiraten befestigt worden sein wird, kurz das, was man von jeher unter Kolonialpolitik verstand. Die hethitischen und ägyptischen Archive des 14. Jahrhunderts zeigen gerade für diese Gebiete alle die Formen des Eingreifens, welche man auch bei den Kafti voraussetzen muß. Diese waren bis gegen 1400 in diesen Gewässern die Großmacht, wofür ein »Reich des Minos« keine notwendige Voraussetzung war. Die Masse kretischer Funde auf Kypros, in Syrien und Palästina, die[265] um 1600 plötzlich beginnen, beweist nur die Intensität des organisierten Handels. Man denke an die Hanse, die englisch-ostindische Kompanie oder an »die« Etrusker, die auch kein Staat gewesen sind.

Aber der bloße Name der Kafti war eine Macht, und da zu einer solchen Stellung eine herrschende Verkehrssprache gehört, so war auch das Kaftiwort Alaschia so allbekannt und geläufig, daß es die Katastrophe von 1400 überdauerte. Es hatte dasselbe Schicksal wie die Bezeichnung Westindien, die ursprünglich für die Richtung der spanischen Seefahrt im Gegensatz zur Richtung der portugiesischen nach Ostindien galt11 und die allmählich zum Namen der Inselgruppe im Golf von Mexiko eingeengt worden ist. Auch Alaschia wurde nach 1400 ein Land name, aus dem man im täglichen Gebrauch die Bedeutung »Osten« nicht mehr heraushörte, wie wir bei Westfalen, Ostfriesland,12 Norwegen, Sussex die Betonung der Himmelsrichtung nicht mehr empfinden. Die diplomatische Korrespondenz der Ägypter und Hethiter kennt seit 1400 ein Königreich Alaschia, das sicher einen Teil von Kypros umfaßte13 und möglicherweise einige Punkte des Festlands gegenüber besaß oder beeinflußte. Dort mögen manche Stammeshäuptlinge eine solche Rückendeckung in den chaotischen Zuständen der folgenden Zeit zu schätzen gewußt haben. Vielleicht hat in den Jahrzehnten der Katastrophe eine bedeutende Persönlichkeit der Kafti oder einer ihrer Söldnerführer dies Gebiet lange verteidigt – wie Aëtius den Rest des weströmischen Reiches mit hunnischen und gotischen Truppen[266] gegen Goten und Hunnen – und nach dem Zusammenbruch auf Kreta seine Herrschaft zu behaupten gewußt. So sind oft genug Staaten und Dynastien entstanden.

In den syrisch-phönikischen Hafenstädten scheint der Name Alaschia (Elissa), von hier aus wohl als Bezeichnung der ganzen Insel verwendet, im Gebrauch geblieben zu sein, auch als um 1200 das Königreich, dessen Herrscher in den Amarnabriefen vom Pharao »Mein Bruder« angeredet wird, also eine bedeutende Macht besaß, zugrunde gegangen war. Wenn die Assyrer gelegentlich von Jadnana reden, wie die Phöniker von Kittim, so waren damit wohl Teilstaaten gemeint, auf welche sich die Urkunden gerade bezogen. Bei den Griechen ist indessen der neue Name Kypros üblich geworden.

Aber auch der gefürchtete Name der Kafti selbst, dessen bloßer Klang Entscheidungen herbeiführen konnte, hatte ein zähes Leben. In der Glanzzeit ihrer Herrschaft müssen die Kafti oft genug in die Verhältnisse der kleinen Küstenstaaten von Ostkilikien und Nordsyrien eingegriffen haben, durch Bündnisse, Kriege und diplomatischen Druck, und man wundert sich nicht, den berühmten Namen dort später noch zu hören. Das versteht sich eigentlich von selbst, aber es gibt Beweise. Ich lege wenig Wert auf das, was Wainwright zusammengebracht hat, um die unmögliche Ansicht zu beweisen, daß das Kaftiland in Kilikien gelegen habe.14 Immerhin ist es kein Zufall, daß nach Stephan von Byzanz Adanos, der Bruder des Japetos, die Griechenstadt Adana in Kilikien gegründet haben soll. Das ist natürlich eine spät zurechtgemachte Gründungssage, die einzige allerdings, in welcher der Name Japetos vorkommt, aber sie setzt voraus, daß man den Kaftinamen in dieser Gegend noch gut gekannt hat. Denn Japetos ist das Wort Kafti in jonischer Umprägung, wie sie von den westkleinasiatischen Rhapsoden der homerischen Frühzeit geschaffen wurde15 und wie sie Hesiod aus deren Gesängen[267] übernommen hat. Japetos ist hier wie Kronos ein Titane; er gehört also zum vorgriechischen Göttergeschlecht, das von Zeus gestürzt wurde. Der bloße, inhalt- und wurzellos gewordene Name der verschollenen Macht hat sich also aus der Urzeit, die mehr als ein halbes Jahrtausend zurücklag, erhalten und ist vom sagen schöpferischen Denken der Griechen mit neuem Gehalt in ihr eigenes Bild des Weltentstehens verwebt worden.

Viel wichtiger ist ein anderer Nachhall des Kaftinamens an einer Stelle, deren große geschichtliche Bedeutung noch nie bemerkt worden ist: Es ist der Noahsegen oder -fluch im Alten Testament.16 Die ursprüngliche Fassung läßt sich, wie allgemein anerkannt ist, noch herstellen:


Verflucht sei Kanaan, der Knecht der Knechte sei er seinen Brüdern!

Gesegnet sei der Gott Sems, und Kanaan sei sein Knecht!

Gott schaffe Japhet Macht, daß er wohne in den Zelten Sems,

Und Kanaan sei sein Knecht!


Die priesterlichen Bearbeiter des nachexilischen Toratextes – oder schon ein literarischer Priester der mittleren Königszeit – haben dies Spruchfragment zur Verknüpfung der Sintflutsage mit den Völkerstammbäumen verwendet und seinen Sinn wie seine zeitliche Stellung dadurch völlig verwischt. Mit dem Schwank vom trunkenen Weinbauern und seinen Erben, dessen derbe Pointe theologisch überdeckt worden ist, hat er ebenfalls nichts zu tun. Er bezieht sich vielmehr auf ein bestimmtes geschichtliches Ereignis. Kanaan (Kinach-ni) ist kein semitisches Wort,17 sondern gehört zu den Landschaftsnamen in Mitannisprache,18[268] bezeichnet also ein Gebiet oder Volkstum in Syrien, den damaligen Mitanniländern zwischen den armenischen Vorbergen und dem Libanon. Die späteren »Phönikier« nannten sich als Staatsangehörige Sidonier oder Tyrier, als Teil einer größeren Volkseinheit Kanaanäer. Damit ist die Gegend der Entstehung des Spruches bestimmt. Es ist dieselbe, aus der noch andere sehr alte Stücke der Genesis stammen, die älteste Fassung der Sintflutsage, in welcher als Landungsort der Arche »ein Berg in Ararat« genannt wird, also in Urartu, dem späteren Armenien, und die Sagen vom Helden19 Abraham, dessen Brüder Nahor und Haran sind, das heißt die Staaten Naharain und Harran.20

»Sem« sind die Leute, welche den Spruch singen. Es sind ohne Zweifel Habiri (»Hebräer«) gewesen, also, wie heute feststeht,21 kein »Volk«, sondern heimatlos in Syrien schweifende Söldner verschiedenster Nationalität,22 die sich jedem verdingten, der sie bezahlte. Als solche werden sie in den hethischen, babylonischen und ägyptischen Urkunden oft genannt. Habiri ist geradezu ein Gattungsbegriff geworden wie zu andern Zeiten Tyrsener, Wikinger, Korsaren und Schweizer. Sie werden noch zur Zeit Sauls und Davids von dem israelitischen Bauernaufgebot deutlich unterschieden;23 aber die Truppen, welche im Dienst dieses Stammesverbandes gegen die Philister standen, sind allmählich in ihm aufgegangen und haben ihm außer ihren alten Sagen, welche nun in Kultsagen umgedeutet wurden, den »weltlichen« Hebräernamen[269] vererbt, der offenbar weithin einen heldenhaften Ruf hatte und den sie später neben dem »geistigen«, Israel, gern führten.

»Japhet« aber sind – in der Aussprache dieser Habiri – die Kafti, »welche in den Zelten Sems wohnen«, also diese in ihrem Sold hatten, um einen Gegner in Kanaan, also irgendwo im syrisch-kilikischen Küstengebiet zu Schlagen. Der Spruch ist der Rest eines Triumphliedes, um Jahrhunderte älter als das berühmte Triumphlied der Debora. Es bezieht sich, wie zahllose andere Helden- und Soldatenlieder, die zwischen den Schlachten von selbst entstanden sind, auf ein bestimmtes, wahrscheinlich wenig bedeutendes, aber doch geschichtliches Ereignis, und wurde von der vielleicht recht kleinen siegreichen Schar seitdem am Lagerfeuer gesungen. Aber es war für diese Leute offenbar ihr größtes Erlebnis gewesen, und so ist dieser drastisch-spöttische Gesang24 noch in Zeiten populär geblieben und weiter gesungen worden, die von dem Anlaß längst nichts mehr wußten. Trotzdem ist seine Zeit annähernd bestimmbar. Der Name Japhet (Kafti) kommt in den Tontafelarchiven von Boghazköi und Tell el Amarna, die beide aus dem 14. Jahrhundert stammen, nicht mehr vor, obwohl Hethiter wie Ägypter zu den Mächten gehörten, die sich damals dauernd um die Mitannigebiete schlugen. Das Königreich Alaschia, die neue politische Größe, wird dagegen an beiden Stellen oft genug genannt. Also muß jenes Ereignis früher stattgefunden haben. Es gehörte wohl sicher zu den letzten Verzweiflungskämpfen einzelner Kaftielemente um 1400, die von den Stützpunkten an der Festlandküste aus ihre Existenz zu halten versuchten.

Als später weit im Süden der Stämmebund Israel25 entstand, um die eben eroberte Hochebene westlich vom Jordan zu verteidigen, wurde dies alte volkstümliche Hebräerlied auf die neue[270] Kriegslage angewendet: Jetzt waren die Philister »Japhet«, so wenig das auf sie paßte, da sie »Sem« geschlagen hatten, und die Eingeborenen waren »Kanaan« – vielleicht ist erst so der Name Kanaan, als Spottname also, in diese Gegend geraten, wo er seitdem allein haften blieb. Und als noch später eine »hebräische« Literatur entstand, wurde das Schema dieser drei uralten Namen verwendet, um alle irgendwie bekannten Völkernamen hineinzupressen.26 Darunter befand sich auch das Wort Kaftor, die ägyptische Aussprache des Kaftinamens, die infolge der langen ägyptischen Herrschaft wie viele andre Namen in Palästina gebräuchlich blieb, während die Philister bereits den neuen Namen Kreta mitbrachten – daher die Kreti und Pleti der Leibwache Davids. Daß Kaftor und Japhet dasselbe Wort war und ursprünglich dieselbe Macht bezeichnete, ahnte niemand mehr.

1

S. 189. Zur Zeit ihrer höchsten Blüte im 6. Jahrhundert hatten die großen Seemächte Milet und Korinth, von denen die meisten griechischen Koloniegründungen ausgingen, kaum 10000 Bürger, d.h. erwachsene freie Männer (Busolt, Griech. Staatskunde I S. 167). Ein Jahrtausend zuvor muß man mit wesentlich kleineren Zahlen rechnen.

2

Das Pressen von Matrosen war noch vor 100 Jahren in der englischen Flotte üblich, und noch im 18. Jahrhundert war die Verurteilung von Verbrechern zur Galeerenstrafe in Westeuropa allgemeiner Brauch.

3

Der »Export« kykladischer »Ware« nach dort, um die scherzhaften Ausdrücke der Archäologen zu gebrauchen, besteht natürlich darin, daß sie bei ihren kurzen Landungen zerbrochene Tontöpfe zurückgelassen haben.

4

Allerdings hat man danach auch nicht gesucht. Man ist hier wie in Tunis und Algier auf bekannte antike Städte versessen, weil sie Kunstwerke und Inschriften liefern. Aber gerade Barka muß im 2. Jahrtausend ein bedeutendes frühgeschichtliches Dasein geführt haben, und zur Oase Siwah gehörte schön damals ganz sicher ein Markt an der Küste.

5

S. 179.

6

Es wird noch lange nicht genug beachtet, daß gerade die unendlichen Wälder des Nordens absolute Völker-, Rasse- und Sprachscheiden gewesen sind, die ganze Länder von jeder Besiedlung ausschlössen.

7

S. 179 ff.

8

Man denke an das heutige Singapur und Hongkong und das Rassegemisch ihrer Geschäftswelt.

9

So erklärt es sich, daß die Kafti ihre Schrift nach ägyptischem Muster, den Tontafelverkehr nach babylonischem entwickelt haben.

10

Die innerlich-seelische Entwicklung durch Eroberung neuer Ausdrucksmöglichkeiten des Denkens und Bildens ist in die extensiv-geistige der Eroberung neuer Räume und Massen übergegangen, der Ehrgeiz der Tiefe in den der Weite (Unterg. d. Abendl. Bd. I, Einl., § 13; Bd. II Kap. IV § 14). Es ist unser Schritt vom 18. zum 19. Jahrhundert.

11

Um 1500 meinte man mit »Indien« natürlich beiderseits dasselbe Gebiet.

12

An der Westgrenze Deutschlands!

13

Es wird das Gebiet gewesen sein, in dem die Haupthäfen der Kaftischiffahrt lagen und das also seit Menschenaltern der Mittelpunkt politischer Machtentfaltung gewesen ist. Daß der Staat Alaschia die ganze Insel, die so groß wie Kreta ist, umfaßt haben sollte, ist schon wegen deren geographischer Zerrissenheit durch hohe Gebirge so gut wie ausgeschlossen, da die einzelnen Ebenen isoliert und von verschiedensprachigen Stämmen bewohnt gewesen sind. Die Verkehrsinteressen sind im Osten, Norden und Süden ganz verschieden. Auch Griechen und Phöniker haben nur Teilgebiete nebeneinander und neben unabhängigen Kleinstaaten der Eingeborenen besessen.

14

Liverpool Annals 1913 S. 24; Journ. of. Egypt. Arch. 17 S. 26; Journ. of Hell. Stud. 51 S. 7.

15

Die älteste der wenigen erhaltenen Stellen ist Ilias 8, 479 ff. Vielleicht war in der wilden Zwischenzeit vom Sturz der Kafti bis zur Sicherung der Herrschaft griechischer Stämme das Wort überhaupt noch kein Eigenname einer Mythengestalt, sondern Beiname einer Gottheit mit fortdauerndem Kult, der sie als »die der Kafti« bezeichnete, wie der »idäische« Zeus, der Kronossohn, der hier geboren wird, der Gott vom Berge Ida gewesen ist, natürlich dem auf Kreta, dessen Name erst von homerischen Dichtern auf das Gebirge bei Troja übertragen wurde. Es ist Zufall, daß die Griechen dann statt Idaios Zeus sagten, was auf diese Gestalt gar nicht paßt.

16

1. Mos. 9, 25 ff. Über die vorderasiatische Geschichte dieser Zeit werde ich später im Zusammenhang sprechen. Hier genügen kurze Andeutungen.

17

W. Borée, Die alten Ortsnamen Palästinas (1930) S. 112 ff.

18

Die Endung -ni findet sich hier oft und überall, z.B. bei Mitan-ni selbst, Naharain (-rini), in griechischer Schreibung in Kommagene, Osrhoëne usw.

19

Gen. 14, dessen Einzelangaben sich nicht mehr deuten lassen. In den späteren Sagen ist die Gestalt dann ganz priesterlich und so zum »Patriarchen« geworden.

20

Die Frauen Abrahams und Nahors heißen dementsprechend Sara und Milka; beides bedeutet Fürstin.

21

A. Alt, Ber. d. Sächs. Akad. d. Wiss. 86, 1 S. 19 ff.

22

Sehr bezeichnend sind z.B. die Listen von Habirinamen bei Saarisalo, New Kirkuk Documents relating to Slaves (1934) S. 84 ff.

23

Wichtig ist I. Sam. 13, 6 ff., wo nach der Niederlage die Israeliten fliehen, die Hebräer aber geschlossen abziehen, und 14, 21 ff., wo ein Hebräertrupp von den Philistern zu den Israeliten übergeht (Jirku, Wanderungen der Hebräer, 1924, S. 9 ff.).

24

Vielleicht nur wegen seines feurigen Rhythmus, wie so viele Soldatenlieder (man denke an »Marlborough« oder die Marseillaise).

25

Israel war der Kultname des Bundes und seiner Mitglieder, wie Hebräer später deren kriegerische Selbstbezeichnung wurde. Man muß, so selten es geschieht, immer mit der Mehrnamigkeit solcher politischen Einheiten rechnen. Auch Römer und Quiriten, Danaer und Achäer, Troja und Ilios sind Beispiele. Wie es dazu kommt, ist jedesmal ein anderes Problem.

26

Genesis 10. Aus irgendeinem Grunde wird für Kanaan hier Harn eingesetzt. War das die alte Selbstbezeichnung der Stämme zwischen dem Jordan und der Küste?

Quelle:
Oswald Spengler: Reden und Aufsätze. München 1937, S. 261-271.
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