Vorbericht.

Die Handschrift der nachfolgenden eigenen Lebensbeschreibung eines Mannes, welcher als Gelehrter und als Mensch gleich schätzenswürdig war, erhielt ich schon im Jahr 1790 von dem sel. Prediger Goeze in Quedlinburg, welcher sie bald nach Sulzer's Tode, von dem sel. Grafen Borke, dem vertrauten Freunde Sulzer's erhalten hatte, mit der Erlaubniß sie abschreiben zu lassen.

Formey hat bey seinem Eloge de Mr. Sulzer,1 wie man offenbar sehen kann, die Handschrift dieses eigenen Lebens des Verstorbenen, vor Augen gehabt, aber nur sehr geringen Gebrauch davon gemacht. Hirzel hat sie[3] bei seinem umständlichen Leben Sulzer's,2 nicht gekannt und also gar nicht gebrauchen können. Gleichwohl wird ein aufmerksamer Beobachter aus dieser so offenherzig und unparteyisch geschriebenen Lebensgeschichte, Sulzer's jugendliche Erziehung und seine allmählige gelehrte Bildung ganz anders und deutlicher, vermuthlich auch hin und wieder lehrreicher einsehen können, als aus Hirzel's sonst auch interessantem Werke. Ich hoffe also einigen Dank zu verdienen, daß ich diese so lange verborgen gelegene Handschrift öffentlich bekannt mache. Das Original derselben hat sollen kurz nach Sulzer's Tode verbrannt werden, wie mir auch Herr Merian, ein vertrauter Freund Sulzer's, erzählte, der, als ich ihm diese Lebensbeschreibung vor einigen Jahren mittheilte, sich wunderte und freute, daß eine Abschrift in meinen Händen geblieben war. Eine andere Abschrift besitzt Sulzer's Schwiegersohn, der berühmte Hr. Graff zu Dresden,[4] dessen Erlaubniß zur Herausgabe ich, wie billig, suchte und erhielt.

Ich habe die Handschrift treu abdrucken lassen, und ausser einigen unbedeutenden Nachläßigkeiten in der Schreibart, wovon vielleicht einige auch nur bloß Fehler des Abschreibers seyn mögen, nichts geändert, damit auf keine Weise etwas von dem Eigenthümlichen dieser Selbstbekenntnisse mögte verwischt werden. Herr Merian fügte auf meine Bitte, bey'm Durchlesen etliche Anmerkungen hinzu, welche allenthalben am gehörigen Orte unter den Text gesetzt sind. Ich selbst habe für nöthig gehalten, jetzt einige Anmerkungen zum bessern Verständnisse einiger nicht allgemein bekannten Umstände hinzuzufügen. Herrn Merian's Anmerkungen sind mit Zahlen, und die meinigen mit ** bezeichnet; außerdem ist jeder Anmerkung der Anfangsbuchstab des Namens des Verfassers beygefügt.

Sulzer ist ein Mann welcher auf mannigfaltige Weise wohlthätig auf die deutsche Literatur überhaupt wirkte, besonders aber[5] auch auf die Aufnahme und Verbreitung derselben in Berlin und in den Preußischen Staaten, wo, zu der Zeit als er nach Berlin kam, der größte Theil der gebildeten Leute fast von nichts anderm als von Französischer Literatur hören wollte. Auch legte er den ersten Grund zur Verbesserung der Schulen zu Berlin, wozu nachher Büsching, Gedicke und Meierotto so rühmliche Schritte thaten. Das Leben eines solchen Mannes ist schon an sich merkwürdig, aber noch merkwürdiger wird es freylich demjenigen, welcher in Gedanken sich ganz in die damalige Zeit versetzen kann. Berlin, den 21sten Wintermonats 1808.

Fr. Nicolai.


Fußnoten

1 In den Mémoires de l'Académie des sciences de Berlin. Année 1779.


2 Hirzel an Gleim, über Sulzer den Weltweisen, 2 Bände, Zürich 1779. 8.


Quelle:
Sulzer, Johann George: Lebensbeschreibung, von ihm selbst aufgesetzt. Berlin, Stettin 1809, S. 6.
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