3. Handeln und Nicht-Handeln

[146] Das Leben der Herrscher und Könige hat Himmel und Erde zum Vorbild, hat SINN und LEBEN zum Herren, hat das Nicht-Handeln zum Gesetz. Wer nicht handelt, dem steht die Welt zur Verfügung und er hat Überfluß. Wer handelt, der steht der Welt zur Verfügung und hat Mangel. Darum haben die Männer des Altertums das Nicht-Handeln so hochgeschätzt. Die Herrschenden handeln nicht. Wenn nun die Untergebenen auch nicht handeln wollten, so würden die Untergebenen in ihrer Art gleich sein wie die Herrschenden. Dann wären sie keine Diener mehr. Die Untergebenen handeln. Wenn nun die Herrschenden auch handeln wollten, so wären sie in ihrem Sinn den Untergebenen gleich. Dann wären sie keine Herren mehr. Die Herrschenden sollen nicht handeln und die Welt zur Verfügung haben. Die Untergebenen sollen handeln und der Welt zur Verfügung stehen. Das ist ein unabänderliches Gesetz.

Also hielten es die Herrscher der Welt in alter Zeit. Ob auch ihr Wissen Himmel und Erde umspannte, sie äußerten selbst keinen Gedanken. Ob auch ihr Erkennen alle Gestaltung der Dinge unterschied, sie äußerten selbst kein Wort. Ob auch ihre Fähigkeiten alles Land zu durchdringen vermochten, sie handelten selber nicht. Der Himmel gebiert nicht, und doch wandeln sich alle Geschöpfe; die Erde macht nichts wachsen, und doch werden alle Geschöpfe ernährt; die Herrscher und Könige handeln nicht, und doch sieht die Welt ihre Werke. So heißt es: Nichts ist göttlicher als der Himmel, nichts ist reicher als die Erde, nichts ist größer als der Herr. So heißt es: Der Herren und Könige LEBEN ist in Gemeinschaft mit Himmel und Erde. Das ist der SINN, der Himmel und Erde gebraucht, der alle Geschöpfe im Lauf erhält und die menschliche Gesellschaft in Dienst nimmt.

Quelle:
Dschuang Dsï: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Düsseldorf/Köln 1972, S. 146.
Lizenz: