4. Abhängigkeit von den Verhältnissen

[253] Wenn die Klugen keine Schwierigkeiten finden für ihre Gedanken und Sorgen, so sind sie nicht befriedigt; wenn die Sophisten auf die Ordnung ihrer Redekunst verzichten sollen, so sind sie nicht befriedigt; wenn die Kritiker nichts finden, an dem sie ihren Tadel auslassen können, so sind sie nicht befriedigt. Sie alle sind befangen in der Welt der Dinge. Menschen, die es verstehen, die Mitwelt um sich zu sammeln, gründen Herrscherhäuser; Menschen, die es verstehen, die Neigung des Volks zu gewinnen, halten Amt und Würden für etwas Herrliches; Menschen, die Körperkraft besitzen,[253] rühmen sich schwieriger Taten; Menschen mit Mut und Tapferkeit sind eifrig in der Not; Menschen, die geübt sind im Waffenhandwerk, freuen sich des Kampfes; Menschen, die alt und ausgemergelt sind, zehren von ihrem Ruhm; Menschen, die sich auf Recht und Gesetz verstehen, suchen den Einfluß der Herrschaft auszudehnen; Menschen, die bewandert sind in Riten und Musik, achten sorgfältig auf ihr Äußeres; Menschen, die sich abgeben mit Liebe und Pflicht, suchen Gelegenheit für große Taten.

Wenn der Landmann nichts mehr zu tun hat mit Gras und Unkraut, so hat er nichts mehr, an das er sich halten kann; wenn der Kaufmann nichts mehr zu tun hat mit Gassen und Märkten, so hat er nichts mehr, an das er sich halten kann. Nur wenn die Menschen der Menge ihren tagtäglichen Beruf haben, so geben sie sich Mühe. Die Handwerker sind von der Geschicklichkeit und Handhabung ihrer Werkzeuge abhängig, um sich zu fühlen. Kann er nicht Geld und Gut anhäufen, so wird der Geizhals traurig. Wenn Macht und Einfluß sich nicht stetig ausdehnen, so wird der Ehrgeizige trostlos. Die Sklaven von Macht und Reichtum sind nur glücklich im Wechsel. Wenn sie eine Zeit finden, in der sie wirken können, so können sie sich nicht des Handelns entlassen. Sie alle folgen ihrem Pfad mit derselben Regelmäßigkeit wie der Kreislauf des Jahres. Sie sind befangen in der Welt der Dinge und können sich nicht ändern. So rennen sie innerlich und äußerlich dahin, versinken in der Welt der Dinge und kommen ihr Leben lang nicht wieder zu sich selbst. Ach, das ist traurig!

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Dschuang Dsï: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Düsseldorf/Köln 1972, S. 253-254.
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