1. Ungewißheit des Lebens

[275] Was den Menschen von außen widerfährt, läßt sich nicht sicher bestimmen. Gute und Böse werden in gleicher Weise vom Unglück betroffen. Pflichttreue ist eine Eigenschaft, die jeder Herr bei seinem Diener wünscht; aber ein pflichttreuer Diener findet durchaus nicht immer Glauben. Darum hat schon mancher den Tod in der Verbannung erlitten. Kindliche Gesinnung ist eine Eigenschaft, die alle Eltern bei ihren Kindern wünschen; aber ein Sohn, der kindlich seinen Eltern dient, wird durchaus nicht immer von seinen Eltern geliebt. Darum hat schon mancher bittern Gram zu erdulden gehabt. Wenn Holz an Holz gerieben wird, so entsteht Feuer; wenn Metall unter der Einwirkung des Feuers steht, so wird es flüssig; wenn das Trübe und das Lichte ungeordnet durcheinanderwirken, so kommt Himmel und Erde in Aufruhr. So entsteht des Donners Krachen, und inmitten von Wasserströmen zuckt Feuer auf, das die alten Eichen verzehrt. So sieht es auch bei den Menschen aus. Sie stehen bekümmert zwischen zwei Abgründen, denen sie nicht entfliehen können, und zappeln sich müde, ohne etwas fertig zu bringen, das Herz wie hangend zwischen Himmel und Erde, zwischen Trost und Trauer, in Schwierigkeiten versenkt. Gewinn und Schaden reiben einander und erzeugen ein großes Feuer, das den inneren Frieden der Menschen der Masse verzehrt. Das[276] stille Mondlicht vermag nicht aufzukommen gegenüber dem Flackerschein des Feuers; sie brechen zusammen, und es endigt sich ihr Weg.

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Dschuang Dsï: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Düsseldorf/Köln 1972, S. 275-277.
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