2. Die Societas maris.

[328] Eingreifendere Neuerungen sind die Konsequenz einer anderen Gesellschaftsform, der sogenannten societas maris, in welcher die zunächst, vom kapitalistischen Standpunkt aus betrachtet, einseitige Kommenda den Uebergang in eine Sozietät mit zweiseitiger Kapitaleinlage vollzieht.

Die für Beurkundung dieses Verhältnisses in Genua gewöhnliche Form ist folgende:

Chart. II 292 v. J. 1165: W. et J. professi fuerunt se ad invicem societatem contraxisse 200 librarum, in qua quidem duas partes W. et terciam J. contulisse pariter confessi fuerunt. Hanc omnem societatem nominatus J. laboratum debet portare Bugiam et hinc ubi voluerit. In reditu utriusque capitali extracto proficuum debet per medium dividere etc.

Soweit rückwärts uns die Kommenda bezeugt ist, ebensoweit auch diese Sozietät; trotzdem ist Silberschmidt beizustimmen,[328] welcher sie für die jüngere Form hält26. Der Kommendatar dessen Stellung, wie bemerkt, eine selbständigere werden mußte, war nunmehr auch materiall, seitdem das Geschäft mit auf seine Rechnung ging, zum mindesten zum Mitunternehmer geworden.

Das dieser Form im Gegensatz zur Kommenda Charakteristische ist nun wesentlich die Gemeinsamkeit der Gefahr. – Nicht etwa die Art der Gewinnverteilung. Erhielt bei der Kommenda der Kommendatar bei einer Einlage von 0-1/4 des Gewinns, so erhält er hier usancemäßig27 bei einer Einlage von 1/3 des Gesamtkapitals, von welchem der Kommendant 2/3 aufbringt, 1/2 des Gesamtgewinns, also 1/6 mehr, als pro rata auf ihn entfallen würde, also von den pro rata auf den Kommendatar entfallenden 2/3 des Gewinns 1/4. Auch die Verteilung der Kosten ist keine andere als bei der Kommenda28. – Sondern allein die Gemeinschaft des Risikos ergibt den Unterschied. Die Waren des reisenden socius (tractator nach der Terminologie in Pisa) werden mit denen des socius stans (so heißt in Pisa der nur mit Einlage Beteiligte) in einen Topf geworfen, eine Beschädigung der Waren eines von beiden trifft beide gemeinsam, ist eine Minderung des Sozietätsgutes.

Der Gewinn aus den Waren ist nicht Gewinn desjenigen, der sie eingeworfen hat, sondern fällt in die Teilungsmasse. – Es gibt einfach über das Sozietätsgut nicht mehr gesonderte Konti des stans und des tractator, sondern es wird für das Sozietätsgut[329] ein Konto – Kapitalkonto der Sozietät, würden wir sagen – eröffnet und diesem zu- und abgeschrieben (wenn auch nicht buchmäßig, so ist doch rechnerisch der Vorgang schon für die damalige Zeit so zu denken). Mit diesem Konto wird nun operiert, die Urkunden enthalten mannigfache Abreden darüber, welche Ausgaben und Einnahmen dies Konto belasten, bzw. ihm zugute kommen (»venire in societatem«, vgl. Chart. II 380, 457, 487, 604, 619, 729, 734, 910 und oft); mehrere solche Konti können in den verschiedensten Abrechnungsverhältnissen untereinander stehen.

In dieser Entwicklung ist nun zwar ein prinzipieller Unterschied von der Kommenda an sich vielleicht nicht zu erkennen, abgesehen von jener Bildung eines gemeinsamen Fonds, – allein die Existenz irgendwelcher erheblicher Differenzen kann deshalb nicht mit Lastig in Abrede gestellt werden. Gerade in dem normalerweise die Kommenda Charakterisierenden, der Tragung der Gefahr durch den Kommendanten, ist eine Aenderung eingetreten. So wenig es eine normale Kommenda ist, wenn, was vorkommt, die Gefahr dem Kommendatar zur Last gelegt wird29, so wenig ist es juristisch unerheblich, wenn durchweg bei der societas maris das Unternehmen nicht mehr auf Rechnung nur des einen socius geht, welcher dadurch »Chef« des Geschäfts wird, dem der tractator seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt, – sondern daß hier jeder auch die Gefahr der Einlage des anderen trägt.

Auch wirtschaftlich ist der Unterschied erheblich. Wenn schon bei der Kommenda, besonders der Geld kommenda, die Tendenz dahin geht, den Kommendatar zu einer selbständigen Zwischeninstanz zwischen Kommendant und Absatzgebiet zu gestalten, so noch mehr hier, wo der tractator selbst sein Kapital im Unternehmen stecken hat, und ganz besonders, wenn ihm mehrere socii stantes mit Geldeinlagen gegenüberstehen. Je mehr die Tätigkeit des tractator unter schwieriger werdenden Marktverhältnissen an Wichtigkeit steigt, um so mehr mußte wirtschaftlich er als der Unternehmer, die stantes als Partizipanten erscheinen. Nicht mehr der stans ist es dann, welcher fremde Arbeitskraft in seinen Dienst nimmt, sondern der tractator nimmt das Kapital der stantes in seinen Dienst, gewährt ihnen[330] Gelegenheit zu lukrativer Anlage. Unzweideutig drückt sich letztere Auffassung darin aus, daß die Statuten die Einlage in eine societas maris als besonders geeignete Art der Anlage von Mündelgeldern und ähnlichen zeitweilig werbend anzulegenden Kapitalien behandeln30. Trotzdem nun die societas maris wirtschaftlich diese Bedeutung annehmen konnte und tatsächlich oft annahm, ist dies auf ihre juristische Struktur ohne Einfluß geblieben. Eine juristische Differenz ist nicht vorhanden, mag wirtschaftlich in casu die Arbeit des reisenden socius oder das Kapital des stans als im Dienste der anderen Partei stehend aufzufassen sein. Im letzteren Fall wird niemand anstehen, die Stellung des socius stans als die eines an Gewinn und Verlust eines fremden Geschäfts mit seinem Kapital Partizipierenden, das Verhältnis wirtschaftlich als »Partizipation« zu bezeichnen, – und es muß daher der Auffassung von Lastig widersprochen werden, welcher lebhaft gegen die Unklarheit protestiert, welche darin liege, daß man die Kommendaverhältnisse mit der participatio in Beziehung setze. Erstere können sehr wohl auch als Partizipation fungieren31.[331]


Quelle:
Max Weber: Gesammelte Aufsätze zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Hrsg. von Marianne Weber. Tübingen 21988, S. 328-332.
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