[730] Ü, ein einfacher Selbstlaut, welcher die achte Stelle unter den Deutschen Selbstlauten verdienet, ob er gleich, so wie seine Brüder ä und ö, von den meisten Sprachlehrern davon ausgeschlossen worden,[730] die sie bald Halb-Vocale, bald unreine Selbstlaute, bald gar Doppellaute nennen, ohne mit einer von diesen Benennungen einen bestimmten und deutlichen Begriff zu verbinden. Er ist, wie das Französische u, ein Mittellaut zwischen dem i und u, wird aber in den Provinzen bald wie ein völliges i ausgesprochen, wie das Minze, ibel, fir, Minch, hibsch der Schlesier und Pfälzer; bald aber auch wie das tiefere u, in dem Schuler, Zeugnuß, Rucken u.s.f. vieler Oberdeutschen, deren rauhere Mundarten statt des Hochdeutschen ü gern ein tiefes u hören lassen. Daß er ein einfacher Selbstlaut und kein Doppellaut ist, erhellet unter andern auch daraus, weil er bald gedehnt, bald geschärft ist; ersteres in Mühe, Büßen, süß, trübe u.s.f. letzteres aber in müssen, Flüsse, Güsse, kürzer, Küche u.s.f.
Da das Deutsche von den Lateinern erborgte Alphabet kein Schriftzeichen hatte, diesen Laut auszudrucken, so mußte man seine Zuflucht zu einem zusammen gesetzten nehmen. Man wählte das u und setzte das i darneben, oder auch wohl darüber, anzudeuten, daß das ü ein Mittellaut zwischen beyden wäre; andere aber bedienten sich statt des i zu eben dem Ende des e, und daher schrieb man das ü bald ui, iu, u, bald ue, bald ů, und in der größern Schrift bald Ui, bald Ue. Alle diese Schreibarten haben den großen Haufen der Sprachlehrer, die über das Äußere hinweg zu sehen nicht im Stande waren, verleitet, diesen Selbstlaut für einen Doppellaut auszugeben, weil sein Zeichen aus zwey Zeichen zusammen gesetzt war. Sie haben aber auch noch die Unbequemlichkeit, daß sie Ausländern und Unkundigen die Aussprache ungewiß machen, weil Ui leicht wie der Schwäbische Doppellaut ui, z.B. uich für euch, welchen doch die Hochdeutschen nicht kennen, gelesen werden kann. Am schicklichsten wäre es daher, wenn das ü mit zwey Puncten sowohl in der größern als kleinern Schrift allgemeiner gemacht würde, welches durch die Schriftgießereyen sehr leicht geschehen könnte. Schon in dem zu Ulm 1483 gedruckten Buche Kelila und Dimma ist das ü mit zwey Strichlein über dem u angedeutet. Siehe auch, was schon bey dem ä und ö von diesen Selbstlauten gesagt worden.