Üben

[734] Üben, verb. reg. act. 1) * Plagen, eigentlich, durch heftige und gewaltsame Bewegungen unangenehme Empfindungen erwecken; eine veraltete Bedeutung. Meine Tochter wird vom Teufel gefatzet, er übet sie, sie schümet u.s.f. heißt es noch bey dem Kaisersberg. 2) In weiterm Verstande, durch mehrmahlige Bewegungen Einer Art, und in noch weiterm Verstande, durch mehrmahlige Handlungen Einer Art, Fertigkeit darin verschaffen. Die Truppen in den Waffen üben. Geübte Soldaten. Sich in etwas üben. Sich im Reiten, Fechten, Tanzen u.s.f. üben. Seinen Verstand üben, durch mehrmahliges Nachdenken. In den Sprachen geübt seyn. Im Unglück geübte Menschen sind gemeiniglich die brauchbarsten und hülfreichsten, Gell. Es ist gut, daß sie sich bey mir in den Liebeserklärungen geübt haben, ebend. 3) Oft verliehrt sich der Begriff der Absicht, und da bleibt nur die Vorstellung der mehrmahligen Wiederhohlung einer Handlung übrig. Eine Kunst, eine Wissenschaft, ein Handwerk üben, im gemeinen Leben treiben. Mit andern Hauptwörtern wird es in diesem Verstande seltener gebraucht; denn die biblischen Hochmuth üben, allerley Bosheit üben u.s.f. sind veraltet. 4) Ehedem verlohr sich auch der Begriff der mehrmahligen Wiederhohlung, und da sagte üben weiter nichts, als thun, merklich machen. Noch jetzt sagt man zuweilen, Rache an jemanden üben, sich an ihm rächen; allein in den meisten übrigen Fällen ist es auch hier veraltet. Ther sinan uuillon uabit, Ottfried. Wohin auch folgende biblische Stellen gehören. Der Herr hatte an ihren Göttern Gericht geübt, 4 Mos. 33, 4. Wo er sich hinwandte, da übte er Strafe, 1 Sam. 14, 47. Seine Macht, die er geübt (gezeigt) hat, 1 Kön. 16, 27. Du hast Gewalt im Lande geübt, Hiob 22, 8. Wenn ihr fastet, so übt ihr euren Willen, Es. 58, 3. Ihr fahret fort mit Morden und übet Greuel, Ezech. 33, 26. Und so in andern Stellen mehr. Er übet großen Fleiß, Opitz. Der gerechtes Urtheil übt, ebend. Die zusammen gesetzten ausüben und verüben haben noch etwas von dieser weitesten Bedeutung.

Daher die Übung, S. solches an seinem Orte besonders, ingleichen Üblich.

Anm. Schon bey dem Ottfried, Notker und andern uoben, uaben, im Angels. ywan, im Nieders. öven, im Schwed. ofva, im Dän. öve. Die Bedeutung der heftigen Bewegung scheinet hier der Stammbegriff zu seyn, und in so ferne kann es auch mit übel verwandt seyn, wenn diese Bedeutung gleichfalls als die herrschende, in demselben angenommen wird. Das Lat. Opus, operari, und unser oft sind unstreitig damit verwandt. S. Oft. Bey dem Notker kommt auch das Iterativum oberen, oft üben (operari,) vor, welches aber längst veraltet ist.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 734.
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