Ārtig

[441] Ārtig, -er, -ste, adj. et adv. überhaupt, eine Art habend, so fern dieses Wort die natürliche oder zufällige Beschaffenheit einer Sache anzeiget.

1. Die natürliche Beschaffenheit einer Sache an sich habend, oder derselben ähnlich. In dieser Bedeutung ist artig nur in Zusammensetzungen üblich. Gypsartig, thonartig, glasartig, steinartig, heldenartig, gutartig u.s.f. Ehedem war in dieser Bedeutung das Wort achtig, von achten, halten, meinen, üblich, steinachtig, glasachtig u.s.f. was für Stein, für Glas zu halten ist. Einige Oberdeutsche Schriftsteller gebrauchen dieses Wort in Zusammensetzungen auch noch; allein im Hochdeutschen ist es veraltet, indem in den meisten Fällen icht daraus geworden ist; S. -Icht.

2. Eine gute Art habend. 1) Für geschickt. Artig tanzen. Er weiß es einem gar artig beyzubringen. Eine artige, feine, geschickte Antwort. Er führte ihn artig bey der Nase herum. 2) Angenehm, in Ansehung der Mienen und Geberden. Ein artiger Mensch. Ein überaus artiges Frauenzimmer. Artig[441] gehet zunächst auf die willkürliche geschickte Einrichtung des äußern Anstandes, wodurch man ein günstiges Vorurtheil für sich erweckt. Aber man gebraucht es auch sehr oft von der natürlichen Gestalt, von dem Angenehmen in der Bildung, welches man eben noch nicht schön nennen kann oder will. Sie siehet ganz artig aus. Ein artiges Gesicht. Eine artige Person. Besonders nennet man dasjenige artig, was klein ist. Aristoteles behauptete schon, daß die Schönheit in der Größe des Leibes bestehe, und das man junge Leute von kleiner Größe wohl artig und wohl gemacht, aber nicht schön nennen könne.


Du willst gleich groß und artig seyn,

Marull, was artig ist, ist klein,

Less.


In weiterer Bedeutung, auch von leblosen Gegenständen, was man gern empfindet. Ein artiges Haus, ein artiger Garten. Eine Fabel, die mir ganz artig geschienen hat, Gell. 3) Den guten Sitten gemäß. In dieser Bedeutung gebraucht man artig besonders von dem Wohlverhalten der Kinder, im Gegensatze des unartig. Sey fein artig. Sich artig aufführen, betragen. Ein frommes artiges Kind.

3. Eine seltsame, wunderliche Art habend, in gemilderter Bedeutung. Du bist wohl artig. Du redest artig. Eine artige, sonderbare, Frage. Das ist doch ganz artig, sie verdammen mich, ohne mich gehört zu haben, Gell.

Anm. Artig, Dän. und Schwed. artig, verändert in der Comparation sein a nicht, artiger, am artigsten. Hätte Frisch die Bedeutung des Wortes Art in ihrem ganzen Umfange gekannt, so würde er artig, so fern es geschickt bedeutet, nicht von dem Lat. Arte, hergeleitet haben. Für artig in der zweyten Bedeutung saget man im gemeinen Leben auch hübsch.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 441-442.
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