-Keit

[1541] -Keit, eine Ableitungssylbe, welche Hauptwörter aus Beywörtern bildet, das Abstractum derselben, und nach einer sehr gewöhnlichen Figur auch aus dem Abstracto wieder ein Concretum zu bezeichnen. Sie kommt in der Bedeutung mit der Ableitungssylbe -heit völlig überein, aus welcher sie bloß durch eine härtere Aussprache des Hauchlautes entstanden ist. Nur in Ansehung des Gebrauches ist sie von derselben unterschieden, indem sie mehr eingeschränkt ist, und nur den Beywörtern angehänget werden kann, welche sich auf bar, er, ig, lich und sam endigen.

Auf bar. Die Brauchbarkeit, Dankbarkeit, Dienstbarkeit, Ehrbarkeit, Fehlbarkeit, Fruchtbarkeit, Kostbarkeit, Mannbarkeit, Schiffbarkeit, Nutzbarkeit, Sichtbarkeit, Unsichtbarkeit, Mittelbarkeit, Theilbarkeit, Untheilbarkeit, Unlaugbarkeit, Strafbarkeit u.s.f.

Auf er. Die Bitterkeit, Heiterkeit, Munterkeit, Finsterkeit, Tapferkeit, Heiserkeit, Lauterkeit, Alberkeit, wofür auch Albernheit üblich ist, das Oberdeutsche Oberkeit für Obrigkeit, das Nieders. Düslerkeit u.s.f. Von bitter, heiter u.s.f. Für Sicherkeit ist Sicherheit, und für Sauerkeit ist Säure eingeführet, so wie von denjenigen Beywörtern, wo die Sylbe er zum Stamme gehöret, die Abstracta gleichfalls auf e gemacht werden; die Leere, Schwere.

Auf ig. Abschüssigkeit, Anmuthigkeit, Anständigkeit, Barmherzigkeit, Billigkeit, Bündigkeit, Ewigkeit, Fertigkeit, Flüchtigkeit, Freudigkeit, Freygebigkeit, Geschäftigkeit, Gütigkeit, Gefälligkeit, Gültigkeit, Holdseligkeit, Kaltblütigkeit, Lässigkeit, Mannigfaltigkeit, Muthwilligkeit, Mühseligkeit, Mäßigkeit, Mündigkeit, Obrigkeit, Offenherzigkeit, Schwierigkeit, Streitigkeit, Seligkeit, Thätigkeit, Widrigkeit, Zufälligkeit u.s.f.

Auf lich. Ehrlichkeit, Freundlichkeit, Friedlichkeit, Höflichkeit, Häuslichkeit, Köstlichkeit, Sinnlichkeit, Peinlichkeit, Pünctlichkeit, Unpäßlichkeit, Abscheulichkeit, Zärtlichkeit, Bedenklichkeit, Deutlichkeit, Erheblichkeit, Glaublichkeit, Häßlichkeit, Beweglichkeit, Betrüglichkeit, Heimlichkeit, Sterblichkeit, Göttlichkeit, Herrlichkeit u.s.f.

Auf sam. Seltsamkeit, Heilsamkeit, Furchtsamkeit, Friedsamkeit, Arbeitsamkeit, Bedachtsamkeit, Empfindsamkeit,[1541] Genügsamkeit, Wachsamkeit, Einsamkeit, Grausamkeit, Langsamkeit, Sparsamkeit, Wirksamkeit u.s.f.

Dahin gehören auch die Beywörter auf haft und los, welche gleichfalls nur allein das keit annehmen, aber vorher durch die Sylbe ig verlängert werden müssen. Dauerhaftigkeit, Gewissenhaftigkeit, Herzhaftigkeit, Lasterhaftigkeit, Nahrhaftigkeit, Schalkhaftigkeit, Wahrhaftigkeit, Standhaftigkeit, Plauderhaftigkeit, Zaghaftigkeit u.s.f. Bodenlosigkeit, Gottlosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Fruchtlosigkeit, Lieblosigkeit, Gedankenlosigkeit, Herrenlosigkeit, Ehrlosigkeit, Grundlosigkeit, Kraftlosigkeit, Sinnlosigkeit, Sprachlosigkeit, Trostlosigkeit u.s.f. Bey den Beywörtern auf los ist das ig vielleicht aus dem e euphonico entstanden, die weiche Aussprache des s zu erhalten, für Gottlosekeit u.s.f. wie noch häufig im gemeinen Leben einiger Gegenden gesprochen wird, und welches Frisch in seiner Ausgabe der Sprachlehre Bödickers so gern für die echte und wahre Schreibart ausgeben möchte, selbst in den eigentlichen Beywörtern auf ig; Gütekeit für Gütigkeit. In den Beywörtern auf haft schreibt sich dieses ig aus der Oberdeutschen Mundart her, welche den Beywörtern auf haft so gern ein unbedeutendes ig anhänget, glaubhaftig, für glaubhaft; welche Schreib- und Sprechart auch im Hochdeutschen ihre Freunde hat.

Diesem Beyspiele folgen auch einige andere Beywörter, welche das keit annehmen, vorher aber durch die Sylbe ig verlängert werden. Frömmigkeit, Süßigkeit, Gerechtigkeit, Kleinigkeit, Feuchtigkeit, Reinigkeit, Mattigkeit, Dreistigkeit, Festigkeit, Nettigkeit, Helligkeit im gemeinen Leben für die Helle, Seichtigkeit u.s.f. Besonders wenn sie sich auf einen weichen Mitlauter endigen; Geschwindigkeit, Müdigkeit, Blödigkeit, Sprödigkeit, Behendigkeit u.s.f. Von fromm, süß, gerecht, blöde, spröde u.s.f. Indessen ist solches keine allgemeine Regel, weil viele das heit annehmen, wenn sie sich gleich auf einen weichen Mitlauter endigen, wie Trägheit, Feigheit, Bosheit, Weisheit, von träge, feige, böse, weise. In grob, blind, gesund u.a. lautet der Consonant schon hart, daher Grobheit, Blindheit, Gesundheit, der Regel gemäß sind. Für Feinigkeit sagt man lieber Feinheit. S. von diesem Gebrauche der Sylbe ig mein Magazin B. 1, St. 3, S. 78 f.

In der Bedeutung kommen die Hauptwörter auf keit mit denen auf heit vollkommen überein, nur daß die vorher gehende Ableitungssylbe dabey nicht aus der Acht gelassen werden muß. Es macht Abstracta, welche eine Eigenschaft, eine Fertigkeit bedeuten und figürlich wieder zu Concretis werden können, Dinge zu bezeichnen, welche diese Eigenschaft an sich haben. Sich an Kleinigkeiten belustigen, an kleinen unerheblichen Dingen. Feuchtigkeiten, feuchte Körper. Gütigkeiten, gütige Handlungen.

Indessen vertragen doch nicht alle der obigen Beywörter diese Sylbe, woran theils die Natur der Sache, theils der Wohlklang, theils aber auch bloß der unterlassene Gebrauch, Schuld sind. Die Beywörter auf ig, welche von Partikeln herkommen, lassen sich nicht auf diese Art in Hauptwörter verwandeln. Für Damahligkeit, Baldigkeit, (im Oberd. sagt man Bälde,) Heutigkeit, Dortigkeit, Hiesigkeit u.s.f. muß man umschreiben, wenn man den Begriff auszudrucken hat. Eben dieß gilt auch von Wunderbarkeit, Väterlichkeit, Mündlichkeit, Ehelichkeit, Königlichkeit, Kümmerlichkeit, Bürgerlichkeit, Ziemlichkeit und hundert andern mehr. Für Gnädigkeit, Allmächtigkeit, Andächtigkeit, Günstigkeit, Hungerigkeit, Mächtigkeit, Wollüstigkeit, Spitzigkeit, Lebendigkeit, Adeligkeit, Gehorsamkeit u.a.m. sind die kürzern Gnade, Allmacht,[1542] Andacht, Gunst, Hunger, Macht, Wollust, Spitze, Leben, Adel und Gehorsam, wenigstens in der edlern Schreibart, üblicher; obgleich in dem lehrenden Vortrage, wo die schärfste Bestimmung nöthig ist, auch jene gebraucht werden können, wenn der Verstand es erfordert, und die vielfache Bedeutung der letztern eine Zweydeutigkeit verursachen könnte.

Anm. Aus allem erhellet, daß diese Ableitungssylbe in den meisten Fällen ihren Ursprung dem Wohlklange zu verdanken hat, indem das gelindere h nach den Buchstaben r, g, ch und dem weichen s fast von selbst in das härtere k übergehet. Daher findet man es auch in den ältesten Schriften so selten, ja fast nicht eher, als bis man auf den Wohlklang zu merken anfing.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1541-1543.
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