Absetzen

[105] Absètzen, verb. regul. welches in gedoppelter Gattung üblich ist. I. Als ein Activum, und da bedeutet es,

1. Herab setzen, von einem höhern oder obern Orte herunter setzen, niedersetzen, und zwar,

1) Eigentlich, eine Last absetzen. Ingleichen etwas aus der Hand setzen. Die Speisen absetzen, sie, ehe sie auf die Tafel kommen, in der Nähe auf den Absetztisch setzen. In dieser eigentlicher Bedeutung kommt es nur wenig vor, desto häufiger aber,

2) In der weitern, in welcher es auf mancherley Art gebraucht wird. (a) Schnell und auf kurze Zeit von etwas entfernen. Das Gewehr absetzen, es, nachdem es an den Backen gelegt war, abnehmen. So auch, im Trinken absetzen. Austrinken, ohne abzusetzen. (b) Für abwerfen. Das Pferd hat ihn abgesetzet, abgeworfen. Ingleichen bey dem Opitz, von dem Pferde schießen.


[105] Jetzt setzt ein kahler Troß, der in dem Vortheil liegt,

Den besten Helden ab.


(c) Für abschneiden, bey den Wundärzten. Ein Glied absetzen. Eine Brust absetzen. Einen Kopf absetzen, bedeutet in der Kunstsprache der Nachrichter so viel, als ihn abhauen. (d) Für abschlagen, besonders im Bergbaue. Ein Stück von einer Stufe, von dem Gesteine absetzen. (e) Für abziehen. Besonders in den Schmelzhütten, wenn bey dem Bley- und Kupfersteine der Stich geschehen ist, das was sich oben auf dem Werke gesetzet hat, abziehen. (f) Für abstreichen. Besonders bey den Tuchscherern, die ausgeschornen Tücher mit der Bürste auf dem Schertische streichen, welches auch zustreichen genannt wird. Der Tisch, worauf solches geschiehet, heißt daher der Absetztisch. (g) Für aussetzen und zurück lassen. Einen Koffer bey einem absetzen. Der Bothe hat ein Päktchen Waare bey uns abgesetzet. Einen Reisenden an einem Orte absetzen, von Kutschern, Fuhrleuten u.s.f. ihn daselbst zurück lassen. (h) * Kleider absetzen, wofür doch im Hochdeutschen ablegen üblicher ist, welches S. (i) Zur Folge haben, nur im gemeinen Leben, und ohne Passivum. Es wird Schläge absetzen. Es setzte viele Thränen ab, es wurden viele Thränen dabey vergossen. Es setzte schon wunderliche Reden ab, als er so früh starb.

3) In der figürlichen. (a) In Menge verkaufen, doch nur von eigentlich so genannten Waaren. Waaren absetzen. Wir haben diese Messe nicht viel abgesetzet. S. Absatz. (b) Für abwürdigen, des äußern Werthes berauben. Eine Münze absetzen, verrufen. (c) Noch mehr aber, jemanden wegen eines Vergehens der ihm aufgetragenen Würde berauben. Einen Beamten absetzen. Er ist abgesetzet, oder von seinem Amte abgesetzet worden. Einen König, Bischof, Priester, Civilbedienten u.s.f. absetzen. In der edlern Schreibart entsetzen. Da Absetzen in dieser Bedeutung den Begriff der Entfernung von einem höhern Orte hat, so führet es auch theils den Begriff einer Würde, theils eines wahren oder voraus gesetzten Vergehens bey sich, wodurch es sich von abdanken, entlassen und andern ähnlichen hinlänglich unterscheidet. In einigen Gegenden sagt man auch, einen Bauer absetzen, ihn von dem Gute setzen, im Gegensatze des Aufsetzens.

2. Wegsetzen, setzend entfernen. Und zwar,

1) Eigentlich. Den Stuhl von der Wand, den Tisch von der Mauer absetzen. Nur im gemeinen Leben.

2) In weiterer Bedeutung, den geraden Fortgang einer Sache unterbrechen, einen Absatz machen. Im Schreiben die Zeilen absetzen. Bey den Schmieden bedeutet absetzen, das Eisen an die Schärfe des Amboßes halten, damit es daselbst von den Schlägen nicht getroffen werde, sondern einen Absatz bekomme.

3) In figürlicher Bedeutung. (a) * Entwöhnen. Ein Kind absetzen, welche R.A. in Schlesien sehr gewöhnlich, im Hochdeutschen aber nicht üblich ist. Desto häufiger gebraucht man absetzen in dieser Bedeutung in Obersachsen von dem zahmen Viehe Lämmer, Kälber, Ferkel, Füllen absetzen, von der Muttermilch abgewöhnen. Absetzkälber, Absetzferkel, Absetzlämmer, sind daher solche junge Thiere, die man von den Mütter entfernet, um sie dadurch zu entwöhnen. (b) Abstechen machen, vornehmlich bey den Mahlern. Einen Schrank grün absetzen, das Leistenwerk u.s.f. grün anstreichen, wenn das übrige von einer andern Farbe ist. Dann aber auch in weiterer Bedeutung, einen Gegenstand durch einen unähnlichen oder entgegen gesetzten mehr heben oder hervor stechen machen. Die Farben absetzen, dunklere Farben neben den lichtern auftragen. So wenig eine Landschaft ohne Mannigfaltigkeit das Auge lange[106] vergnüget, wenn das Schöne nicht hier gegen einen unfruchtbaren Hügel, dort gegen ein Sandfeld, dort wiederum gegen wilde Dornstauden abgesetzet ist, Dusch. Schönheiten, die alle von einer, oder doch von nahe verwandter Art, und nicht genugsam gegen andere abgesetzet sind, ebend. Was wir an andern am meisten bewundern, Schönheit und Reitz, sind in ihr nur die Schatten, ein größeres Licht dagegen abzusetzen, Less. Sie wird die zärtlichen Stellen nicht verderben; sie wird sie noch genug absetzen, ebend. S. auch das Neutrum. 3. Völlig zu Ende setzen, das Setzen einer Sache vollenden, besonders in den Buchdruckereyen. Eine Columne, einen Bogen absetzen. Ingleichen,

4. Durch Setzen mit Schriften copiren. Eine Handschrift, ein Manuscript absetzen.

II. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. 1) Unterbrochen werden, seine Richtung und Beschaffenheit verändern. Besonders in den Bergwerken, der Gang setzt ab, fällt aus seiner Stunde, ingleichen verliert sich. Das Gestein setzt ab, wird brüchiger. 2) Verschieden seyn, und dadurch einander heben, einander mehr hervor stechen machen. Zunächst von Farben. Je lebhafter die Farben im Achat-Onyx sind, je stärker sie absetzen, desto höher wird der Stein geschätzt. Aber auch in andern Fällen, wie abstechen, in Vergleichung mit einem andern Dinge lebhaft empfunden werden. Der alte Hut setzt gegen das neue Kleid schlecht ab. Im Hochdeutschen in dieser Bedeutung nur selten. 3) Von einem absetzen, ihn verlassen.


Alles was ich hochgeschätzet,

Hat jetzt von mir abgesetzet,

Gryph.


Im Hochdeutschen nur im gemeinen Leben.

Anm. Das Verbale die Absetzung, wird am häufigsten von dem Absetzen von einem Amte, und von dem Absetzen, d.i. Entwöhnen, des Viehes gebraucht. S. auch Absatz.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 105-107.
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