Anders

[280] Anders, eine Partikel, welche in zweyerley Gestalt üblich ist.

1. Als eine Adverbium, für auf andere Art, verschieden. Er wird mit den Jahren schon anders werden. Sich anders besinnen. Etwas anders deuten. Die Sache verhält sich ganz anders, als man mir gesagt hatte. Anders aber wüßte ich ihm nicht zu begegnen. Anders lebt man mit einem Tyrannen, anders mit einem Freunde. Er thut nicht anders, als wenn er hier zu Hause wäre. Es war nicht anders, als wenn ich ihn sähe. Ich kann mich nicht anders, als durch[280] Thränen entschuldigen. Ich habe es nicht anders als gerne sehen können. Er konnte nicht anders als gehorchen, er mußte schlechterdings gehorchen. Was sagen sie mir? – – Nicht anders; hier ist der Brief. Da denn nicht anders eine im gesellschaftlichen Umgange gewöhnliche Art der Bejahung ist, für, es ist nicht anders. Es ist nicht anders; ihr Leben ist ein beständiges Gebeth, Gell.

2. Als eine Conjunction, welche, 1) das Ausschließende einer Bedeutung ausdruckt, und so wohl mit wenn und wo, als auch allein angetroffen wird. Ich werde sie besuchen, wenn sie anders zu Hause sind. Wenn das anders deine Meinung ist. Wenn sie anders noch Willens sind, meine Tochter zu ehelichen, Gell. Wer den Zweck will, der muß auch das Mittel wollen, wenn er anders verständig ist, ebend. Wo ich mich anders darauf verstehe. Du mußt arbeiten, willst du anders essen. Hab ich anders Gnade vor dir funden. Doch soll ich anders sagen, was mein Bedünken ist, Opitz. 2) * Einen im entgegen gesetzten Falle gewissen Erfolg zu bezeichnen, für sonst. Man fasset auch nicht Most in alte Schläuche, anders die Schläuche zerreißen, Matth. 9, 17. In dieser Bedeutung kommt es im Hochdeutschen wenig mehr vor; aber in Oberdeutschland ist es in derselben noch völlig üblich.

Anm. Oben bey ander ist bereits angemerket worden, daß die Partikel anders in Oberdeutschland anderst lautet, zum Unterschiede von dem Neutro anderes oder anders.


Wir irren insgesammt, nur jeder irret anderst,

Hall.


Und Siegm. von Birken sagt in dem Ehrenspiegel des Hauses Österreich ausdrücklich: ein anders ist etwas anderes vorbringen, und etwas anderst vorbringen. Wo ein solcher Unterschied einmahl eingeführet worden und allgemein ist, da ist er zu loben. Wenn aber ein Sprachlehrer denselben in einer Mundart einführen will, die ihn nie beobachtet hat, so überschreitet er die Grenzen seiner Gewalt. Anderster, wie einige Oberdeutsche Provinzen sagen, die es zuweilen gar für das Neutrum anderes gebrauchen, ob da vielleicht was anderster zu erhalten sey, läßt sich mit nichts, als mit der Alemannischen Liebe zur Weitschweifigkeit entschuldigen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 280-281.
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