Ansichtig

[370] Ansichtig, adv. welches aber nur mit dem Verbo werden üblich ist. Eines Menschen ansichtig werden, ihn erblicken. So bald er meiner ansichtig ward. Als wir seiner ansichtig wurden. Diese Verbindung mit der zweyten Endung der Sache ist die älteste und richtigste; ungeachtet dieses Wort, besonders in Niedersachsen, auch häufig mit der vierten Endung verbunden wird. Einen ansichtig werden, Less. So bald mich die Räuber ansichtig wurden, ebend. Eben so heißt es schon in dem Theuerdanke:


Alsbald man denselben wirdt ansichtig,

Less, Kap. 33.


Anm. Ehedem war auch das einfache sichtig in dieser Bedeutung üblich. Daß sie einander sichtig wurden, heißt es in der 1514 zu Mainz gedruckten Übersetzung des Livius. Übrigens war ansichtig auch in der Gestalt eines Adjectives bekannt. Den anasihtigen Christum, den vorher gesehenen Christum, heißt es bey dem Notker Ps. 67, 16. In dem Brem. Nieders. Wörterb. Th. 4, S. 732. wird aus einer alten Urkunde die Stelle angeführet: Wy – – bekennen unde doen kunt allen desses Breves ansichtigen. Daß ansichtig ehedem auch für ansehnlich, ingleichen im Angesichte, vor den Augen, gebraucht worden, hat schon Frisch angemerket.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 370.
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