Athem, der

[456] Der Athem, des -s, plur. inusit. die Luft, welche man vermittelst der Lunge in sich ziehet und wieder von sich stößet, und die Handlung des Einziehens und Ausstoßens dieser Luft; und zwar, 1) Eigentlich. Einen kurzen, schweren Athem haben. Athem hohlen, oder schöpfen, die zum Leben nöthige Luft in sich ziehen. Den Athem an sich halten, die geschöpfte Luft nicht wieder von sich stoßen. Der Athem ist ihm ausgegangen oder ausgefahren, er ist gestorben, in der alltäglichen niedrigen Sprechart. Es benimmt mir fast den Athem, ich möchte ersticken. Etwas in Einem Athem hersagen, unmittelbar hinter einander, ohne merkliche Zwischenräume. sie ist zugleich Sommer und Winter, sie lacht und weint, sie fleht und droht in Einem Athem, Weiße. So lange noch ein Athem in mir ist, so lange ich noch lebe. Sich aus dem Athem oder außer Athem laufen, reden, schreyen, ingleichen, ganz außer Athem seyn, wie auch,[456] wieder zu Athem kommen, sind sonderbare Arten des Ausdruckes, die indessen doch überall angenommen sind. Ich komme wieder zu Athem, auch figürlich, ich erhohle mich wieder von meiner Bestürzung. Nun da ich einmahl in Odem (Athem) bin, ihnen Vorwürfe zu machen, so will ich mich derselben erst ganz entledigen, Weiße. 2) Figürlich, für das Leben. Diese Bedeutung ist ein Hebraismus, daher sie auch nur in Luthers Bibel vorkommt. Indessen gehören doch auch verschiedene oben abgeführte figürliche R.A. hierher, indem der Athem zum natürlichen Leben unentbehrlich ist.

Anm. Athem, bey dem Kero und Isidor Atum und Adum, Angels. Aethm, Ethm, Nieders. Atem, Aten, Holländ. Adem, Aessem, zeiget zunächst den Hauch oder Wind an, welcher durch die Einziehung und Ausstoßung des Athems verursacht wird; worin es mit dem Griech. ατμƞ Athem, von αειν wehen, ααζειν hauchen, überein kommt. Bey dem Isidor bedeutet adhmuan wirklich wehen. Weil mit der Ausstoßung des Athems zuweilen ein sichtbarer Dunst verbunden ist, so ist es vermuthlich daher gekommen, daß Athem, in den ältesten Zeiten, so wie das Griechische ατμος und ατμις und das Angels. Aethm, auch einen jeden Dunst bedeutet hat, welchen das Nieders. Frathem und das Hochdeutsche Brodem noch bezeichnen. In den meisten Sprachen hat man die Benennung des Geistes oder der Secle von dem Athem oder Winde hergenommen. Im Deutschen ist solches auch um der Ursache willen geschehen, weil man durch das Latein. Spiritus dazu veranlasset wurde. Daher heißt bey dem Ulphilas Athma, bey den Schweden Ande, und bey dem Kero Atum so wohl die Seele, als ein jeder Geist, atum uuihenu, der heilige Geist, und atumlih, geistlich. In den folgenden Zeiten wählete man das Wort Geist dafür, welches eigentlich eben dieselbe Bedeutung hat. S. Geist. Es erhellet zugleich hieraus, daß Athem die älteste und wahre Sprech- und Schreibart ist, und daß Odem, welches auch einige gute Obersächsische Schriftsteller gebrauchen, bloß von der neuern Alemannischen Mundart herrühret, welche das A so gern mit dem tiefern O vertauschet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 456-457.
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