Atte, der

[459] Der Atte, oder Ätte, des -n, plur. die -n, der Vater; ein Wort, welches heut zu Tage nur noch in den niedrigsten Mundarten Oberdeutschlandes gehöret wird, ehedem aber allgemeiner war, und zwar nicht allein bey den Deutschen, sondern auch bey sehr vielen andern Völkerschaften. Zum Beyspiele dienet das Römische Atta, nach dem Festus, das Griechische αττα, das Gothische Atta, das Türkische Ata, das Tschuwassische Atta, das Ungarische Atya, das Lappländische Atzhie oder Atye, das Wallisische Haita, das Friesländische Haite, das Slavonische Otez, das Wendische Eyda, alle in der Bedeutung eines Vaters, anderer Sprachen zu geschweigen. Andere Mund- und Sprecharten haben mit einer geringen Versetzung dafür Tata, wie der gemeine Haufe in Schwaben so wohl als in Niedersachsen, wofür die Friesen und Hannoveraner Teite, die Engländer Dad, Dadde, die Spanier Taita, die Türken Tada sagen. Selbst bey den Griechen und Lateinern war τεττα und Tata bekannt. Man[459] darf sich über die große Übereinstimmung nicht wundern, da Atta eines von denen Wörtern ist, welche die Natur den stammelnden Kindern selbst lehret, indem at und ta für die Aussprache sehr leichte Sylben sind, die die Sprachwerkzeuge gleichsam von sich selbst hervor bringen. Abba, Appa und Amma sind eben solche Wörter, aus deren ähnlichen Versetzung Baba, Papa, und Mamma geworden. Übrigens bedeutet Arta bey den Friesen noch jetzt einen Richter.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 459-460.
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