Auferbauen

[484] * Auferbauen, verb. reg. act. welches aber nur im Oberdeutschen üblich ist, so wohl in der eigentlichen Bedeutung für aufbauen, als auch in der figürlichen theologischen für erbauen. Im Hochdeutschen ist es so wenig gebräuchlich, als das Adjectiv auferbaulich, für erbaulich, und das Substantiv Auferbauung, für Erbauung.

Anm. Da wir im Hochdeutschen noch einige Zeitwörter haben, welchen die beyden Partikeln auf und er zugleich vorgesetzet sind, und sich diese Verba so wohl in ihrer Conjugation, als auch in ihrem Gebrauche merklich von andern unterscheiden: so wird es nicht undienlich seyn, hier etwas von ihnen überhaupt anzumerken, damit es nicht hernach bey einem jeden ins besondere geschehen dürfe.

1) Die Verba dieser Art, welche noch im Hochdeutschen gänge und gebe sind, sind: auferlegen, auferstehen, auferwachen, auferwecken, und auferziehen. Die Oberdeutsche Mundart hat noch auferbauen, und vielleicht noch einige andere. Veraltete aber sind: auferheben, auferrichten, aufersteigen, u.a. die bey dem Kero, Ottfried, Notker und Tatian vorkommen, und aufersterben, für ansterben, bey dem Haltaus.

2) Alle diese Verba kommen darin mit einander überein, daß sie eigentlich eine Bewegung in die Höhe bedeuten, welche Bedeutung jede der beyden Partikeln auf und er schon für sich allein hat. Man sagte daher auch in dem Alterthume eben so oft erstehen, erbauen, erwachen, erwecken, und aufstehen, aufbauen, aufwachen, aufwecken, als mit beyden zusammen genommen auferstehen u.s.f.

3) Diese letzte Form scheinet, außer der natürlichen Neigung der mittlern Franken und Alemannen zu langen und mehrmahls zusammen gesetzten Wörtern, vornehmlich durch die Zweydeutigkeit der Partikel er, welches die erste und älteste Form dieser Wörter war, veranlasset zu seyn. Diese Partikel bedeutet so wohl auf,[484] als auch aus, so wohl eine Bewegung in die Höhe, als auch eine Bewegung aus der Tiefe und aus dem Innern einer Sache. Um nun ihre jedesmahlige Bedeutung genau zu bestimmen, setzte man nachmahls noch die Vorwörter auf und aus daran, und so entstand im ersten Falle auferbauen, auferstehen, u.s.f. und im letztern auserkiesen, auserkoren, auserlesen, ausersehen, auserwählen; S. jedes dieser Wörter besonders. Es erhellet dieses,

4) Zugleich aus der unbeständigen Conjugation dieser Wörter in dem Alterthume. Tho er uf fon themo grab yrstuant, Erstuant er uf snello, Ufirstuant si snello, Uz fon themo grabe irstuant, sind alles Wortfügungen, die bey dem Ottfried vorkommen, und wo auf und aus nur zugesetzet worden, die Bedeutung der Partikel er näher zu bestimmen. Heut zu Tage hingegen wird aufer -in der Conjugation als eine untrennbare Partikel angesehen, welche beständig mit dem Verbo verbunden bleibet. Als er auferstand, und nicht, als er erstand auf.

5) Indessen sind diese Verba im Hochdeutschen doch nicht in allen Zeiten üblich; nicht als wenn sie ihrer Natur nach solches nicht verstatteten, sondern bloß um des unterlassenen Gebrauches willen. Der Imperativ und das so genannte Gerundium mangeln ihnen gänzlich, und das Präsens und Imperfectum, so wohl im Indicativo als Conjunctivo, können nur mit den Partikeln als, da, ob, damit, daß, auf daß, weil, so lange, so oft, und vielleicht noch einigen andern, ingleichen mit den Relativen, der, welcher u.s.f. gebraucht werden. Außerdem muß entweder die Partikel auf oder er zurück bleiben. So sagt man z.B. nicht, ich auferziehe ihn, sondern ich erziehe ihn, oder ziehe ihn auf; nicht ich auferwachte, sondern ich erwachte, oder ich wachte auf; wohl aber, da ich ihn auferziehe, der mich auferweckte, wenn ich auferstehe, so oft ich ihm die Strafe auferlege u.s.f.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 484-485.
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