Aufrichtig

[519] Aufrichtig, -er, -ste, adj. et adv. 1) * Eigentlich, aufrecht, aufgerichtet. Daß Gott den Menschen hat aufrichtig gemacht, Pred. 7, 30. Stehe aufrichtig auf deine Füße, Apostelg. 14, 10. Im Hochdeutschen ist diese Bedeutung veraltet; indessen sagt man noch in Oberdeutschland, ein aufrichtiger Stamm, eine aufrichtige Tanne, für gerade.

2) Figürlich. (a) Ächt, unverfälscht. Eine aufrichtige Waare. Ein aufrichtiger Wein. Noch mehr aber, (b) der innern Gemüthsfassung völlig gemäß, ohne Verstellung. Aufrichtig reden, aufrichtig handeln, so wie man es denkt. Ein aufrichtiger Mann. Ein aufrichtiger Freund, der nichts verschweiget. Ich mache mir eine Ehre daraus, mich an dem günstigen Schicksale meiner Schwester aufrichtig zu vergnügen, Gell. Keine[519] Art von Leuten haßt er aufrichtiger und beständiger als die Heuchler. Aufrichtig und offenherzig sind nicht einerley. Die Offenherzigkeit schließt alle Zurückhaltung aus, die Aufrichtigkeit nicht. Ein Offenherziger sagt alles was er denkt; der Aufrichtige redet allemahl so, wie er denkt, ohne eben alles zu sagen, was er denkt. Die Ehrlichkeit, Redlichkeit, Rechtschaffenheit sind von der Aufrichtigkeit noch weiter unterschieden; S. diese Wörter.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 519-520.
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