Ausreißen

[625] Ausreißen, verb. irreg. (S. Reißen,) welches in doppelter Gattung üblich ist.

I. Als ein Activum. 1) Heraus reißen. Einem den Zahn, die Zunge, die Haare ausreißen. Das Unkraut mit der Wurzel ausreißen. 2) Aus einander reißen. Die Fluth hat alle Dämme ausgerissen.

II. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn.

1. Aus einander gerissen werden. 1) Eigentlich. Das Knopfloch riß aus. Der Stich reißt aus. Die Dämme sind ausgerissen. 2) Figürlich, im gemeinen Leben, von der Geduld. Meine Geduld wird endlich ausreißen, erschöpfet werden.

2. Nach außen zu reißen, oder gespalten werden. 1) Eigentlich. Wenn das Holz im Spalten ausreißen will, so wissen es die Böttcher so zu schlagen, daß der Riß wieder hinein gehet. 2) Figürlich, sich schnell entfernen, durchgehen. Die Pferde rissen aus.


Die Einbildung spornt seine Triebe,

Wie Rosse reißen sie aus,

Kleist.


Ingleichen von Menschen, entfliehen, gemeiniglich in verächtlicher Bedeutung. Als man ihn ergreifen wollte, riß er aus. Die Feinde sind ausgerissen. Ausgerissene Soldaten, die ihre Fahnen böslich verlassen haben; S. das folgende, ingleichen Reißaus. Zuweilen, obgleich nicht eben auf die beste Art, auch wohl von leblosen Dingen. Wenn die Fluth gleich einem anschwellenden Ocean über die Ebene ausreißt. Es scheinet, daß in dieser Bedeutung eben dieselbe Figur zum Grunde liege, nach welcher man im ähnlichen Verstande nicht Stich halten gebraucht. Das Hauptwort die Ausreißung wird nur in den Bedeutungen des Activi gebraucht.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 625.
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