Ausziehen

[672] Ausziehen, verb. irreg. (S. Ziehen,) welches in doppelter Gattung üblich ist.

I. Als ein Activum. 1. Heraus ziehen. 1) Eigentlich. Pflanzen ausziehen, aus der Erde. Einem einen Zahn, einen Splitter ausziehen. Den Degen ausziehen, aus der Scheide. Das Brot ausziehen, aus dem Ofen. Ingleichen metonymisch, sich ausziehen, die Kleider ablegen, gleichsam den Leib aus den Kleidern ziehen; und nach einer neuen Metonymie, auch von gewissen enge anschließenden Kleidungsstücken. Den Rock, die Weste, die Schuhe, die Strümpfe ausziehen. Daher figürlich, im gemeinen Leben, jemanden ausziehen, ihn ausplündern, des Seinigen berauben. Werden sie die Waisen bekleiden, die sie ausgezogen haben? Dusch. 2) Figürlich. (a) Etwas aus einem Rechnungsbuche ausziehen, ausschreiben. (b) Eine Wurzel ausziehen, in der Rechenkunst, die Factoren finden, deren Product die gegebene Potenz ist. (c) Durch Auflösung heraus ziehen, in der Chymie. Die Kräfte einer Pflanze ausziehen, durch die Destillation. Die Farbe ausziehen durch Einweichen, Sieden u.s.f. (d) Sich etwas ausziehen, bey einem Vergleiche vorbehalten. Sich bey Vermiethung eines Hauses ein Zimmer, bey Verpachtung eines Gutes gewisse Früchte ausziehen. (e) Eine Stadt, eine Herrschaft bey dem Reiche ausziehen, in dem Deutschen Staatsrechte, sie vertreten, ihre Reichslasten tragen. Ausgezogene Stände, erimirte. 2. Aus einander ziehen, ausdehnen, in die Länge ziehen. Die Wäsche ausziehen, wenn sie getrocknet worden. Die Erze ausziehen, im Hüttenbaue, sie mit der Ausziehküste auf dem Herde hin und her ziehen. Die Tücher ausziehen, bey den Tuchmachern, sie ausdehnen. Das Eisen ausziehen, bey den Eisenarbeitern, es dünner und länger schmieden, es strecken. 3. Ziehend aushöhlen. So ziehen die Böttcher die Dauben aus, wenn sie selbige mit dem Krummesser aushöhlen. Die Büchsenmacher ziehen ein Rohr aus, wenn sie es inwendig mit Reifen versehen.

II. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn. 1. Aus einem Orte ziehen, denselben mit seinem Gepäcke verlassen, besonders aus einem Hause ziehen. Er wohnt nicht mehr hier, er ist ausgezogen. 2. Mit einer gewissen Feyerlichkeit, im Gepränge aus einem Orte gehen, hinaus ziehen, auf das Feld ziehen. So ziehen die Jäger mit dem Leithunde aus, wenn sie mit demselben auf die Vorsuche gehen. Der biblische Gebrauch, für[672] zu Felde ziehen, ist im Hochdeutschen veraltet. 3. Sich in der größten Geschwindigkeit davon machen. Das Wild zieht aus, wird flüchtig, bey den Jägern. Sie hätten ihn sollen ausziehen sehen! Weiße. In der Reitkunst wird ausziehen von dem stärksten Galopp gebraucht, Franz. la Carriere.

Daher die Ausziehung, in den Bedeutungen des Activi. S. aus Auszug.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 672-673.
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