Būchstab, der

[1242] Der Būchstab, des -ens, plur. die -en, ein willkürliches Zeichen der unzertrennlichen oder einfachsten Theile eines Wortes. 1. Eigentlich. Ein einfacher, ein zusammen gesetzter, oder doppelter Buchstab, Doppelbuchstab. Ein kleiner, ein großer Buchstab. Ein Anfangsbuchstab u.s.f. Er hat mir keinen Buchstaben davon geschrieben, er hat mit nicht das geringste davon gemeldet. Ich habe noch keinen Buchstaben von ihm gesehen, keine Zeile, keinen Brief. 2. Figürlich, ohne Plural. 1) Der eigentliche Wortverstand. Was würde da heraus kommen, wenn man alles dieses nach dem Buchstaben verstehen wollte? S. Buchstäblich. 2) Das Gesetz, im Gegensatze des Evangelii, welches Gebrauch aber bloß biblisch ist. Unter dem Buchstaben seyn, Röm. 2, 27. Die Beschneidung des Herzens geschtehet nicht im Buchstaben, sondern im Geist, V. 29. Das Amt des Buchstabens, 2 Cor. 8, 6. Der Buchstab tödtet, aber der Geist machet lebendig, V. 7; welche Stelle Notker Ps. 70, 15, übersetzt: Diu ehaschrift diu irslahit, diu geistscrift diu irchichit.

Anm. Buchstab, Nieders. Bookstaf, lautet schon bey dem Kero Puahstaba, bey dem Ottfried Buahstabo, in dem alten Gedichte auf Carls des Großen Feldzug bey dem Schilter Bouhstaf, bey dem Styker Puechstab, im Dän. Bogstav. Statt dieses Wortes war ehedem auch nur das einfache Stab üblich, wie aus dem veralteten Niedersächsischen Staf, dem Angels. Staef, und dem heutigen Schwed. und Isländ. Staf, alle in der Bedeutung eines Buchstabens erhellet. Bey dem Älfrik bedeutete um das Jahr 970 Staefe be Staefe, so viel als von Wort zu Wort, und in den Monseeischen Glossen wird Puchstapa für die Gelehrsamkeit überhaupt gebraucht. Daß dieses Wort seiner letzten Hälfte nach unser heutiges Stab ist, daran ist wohl nicht zu zweyfeln; nicht aber, weil die alten Deutschen ihre Schrift in büchene Stäbe geschnitten, welches unerweislich ist, sondern weil die älteste und besonders die nordische Schrift, den geraden Stäben glich,[1242] welche Ähnlichkeit bey den Runen noch sehr deutlich ist. Das Wort Buch sollte diese Stäbe von andern Stäben unterscheiden. Buch bedeutete, wie schon eben bemerket worden, ehedem eine jede Schrift; Buchstab ist also nichts anders als ein Schriftstab, oder geschriebener Stab. Die Abänderung dieses Wortes ist in den Deutschen Mundarten sehr verschieden; in allen weicht es in der Declination von dem einfachen schon von Alters her ab. Die oben angeführte ist im Hoch- und Oberdeutschen die üblichste. Wer im Nominat. der Buchstabe sagt, hat weder Gründe, noch Gebrauch auf seiner Seite.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1242-1243.
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