Beitzen

[827] Beitzen, verb. reg. welches auf eine dreyfache Art üblich ist. I. * Als ein Activum, für beißen, auf welche Art dieses Wort doch ehedem gebräuchlicher war, als jetzt. S. Beißen, wo aus dem Ottfried und Notker angeführet worden, daß peizen, pizzen und bizen ehedem für beißen gebraucht worden. Pictorius sagt Bitz für Biß, und noch Günther singet:


Wir merken auch ein Salz, das in die Augen beitzet.


II. Als das Factitivum von beißen, beißen machen, und zwar, 1. Eigentlich von Thieren, da dieses Wort so viel als hetzen, mit Thieren jagen, bedeutet, im Deutschen aber nur von dem Hetzen mit Raubvögeln gebraucht wird, und zwar so, daß sich das Zeitwort, 1) auf dasjenige Thier beziehet, mit welchem gejaget wird. Einen Falken auf einen Hasen beitzen. Es werden oft zwey Falken auf Einen Reiher gebeitzet. Daher die Falkenbeitze. Frisch erkläret diesen Gebrauch für unrichtig, allein er hat nicht bedacht, daß das alte beitzen, Angels. betan, Isländ. beita, Schwed. beta, überhaupt hetzen, anreitzen bedeutete, und nicht allein von Stoßvögeln, sondern auch von Hunden gebraucht wurde, und im Schwedischen noch gebraucht wird. 2) Auf dasjenige, welches gejaget oder gehetzet wird. Hasen, Rebhühner beitzen. Einen Reiher mit Falken beitzen. Daher auch[827] die Zusammensetzungen, die Reiherbeitze, die Äntenbeitze, die Hasenbeitze u.s.f.

2. Figürlich von einer jeden scharfen Materie, welche einige Theile eines andern Körpers auflöset, und ihn dadurch zu einem gewissen Gebrauche geschickt macht. In dieser Bedeutung ist es in vielen Lebensarten und Beschäftigungen sehr gebräuchlich, wird aber nur in Beziehung auf diejenige Sache gebraucht, die dadurch zubereitet wird. So beitzen die Köche das Fleisch, wenn sie es eine Zeit lang in Essig liegen lassen, damit es mürbe werde. Die Gärber beitzen die Häute, die Hammerschmiede das Eisen, welches verzinnet werden soll, die Schreiner das Holz u.s.f. Auch in dieser Bedeutung ist beitzen schon sehr alt, denn Beisto, welches bey dem Ulphilas Sauerteig bedeutet, gehöret vermuthlich hierher. Das Schwedische Beta bedeutet gleichfalls fermento macerare.

III. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, gebeitzet werden, d.i. von einer scharfen Materie durchfressen werden. Das Fleisch in Essig beitzen lassen. Lasse diese Wurzel darin beyssen, heißt es in dem 1490 gedruckten Garten der Gesundheit. Anm. Aus dem obigen erhellet, daß beitzen in allen seinen Bedeutungen von beißen herkomme, nicht aber, so fern es von der Jagd gebraucht wird, von baißen oder beißen, niederlassen, herab steigen, indem es sich alsdann wohl auf die Jagd mit Stoßvögeln, nicht aber mit Hunden schicken würde, von welcher es doch ehedem, wenigstens in den verwandten Mundarten, auch gebraucht worden. Der orthographische Unterschied, beitzen, wenn es von der Jagd gebraucht wird, zum Unterschiede von dem andern mit ai zu schreiben, hat daher auch nicht einmahl den Schein einiges Grundes vor sich. Das ai ist ein Oberdeutscher Doppellaut, der noch dazu mehr der neuern als der ältern Oberdeutschen Mundart eigen, und den Hochdeutschen Sprachwerkzeugen fremd ist. Notker und die Schwäb. Dichter brauchen dieses Zeitwort einige Mahl von der Vögeljagd, schreiben es aber alle Mahl beitzen oder beissen. Selbst in beißen, demittere, ist das a nicht wesentlich, sondern gehöret bloß der Mundart zu, obgleich die Franzosen es in bas und baisser beybehalten haben. S. auch Ätzen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 827-828.
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