Beystehen

[991] Beystehen, verb. irreg. neutr. (S. Stehen,) welches mit dem Hülfsworte haben verbunden wird. 1) Eigentlich, bey oder neben jemanden stehen; in welcher Bedeutung es aber nicht üblich ist. 2) Figürlich, Hülfe leisten, so wohl in Verrichtung eines Geschäftes, als auch, und zwar am häufigsten, zur Befreyung aus einer Noth, aus einer Verlegenheit. Einem beystehen, ihm mit Rath und That beystehen. Ich danke ihnen, daß sie mir so redlich beygestanden haben. Wer hat ihm beygestanden? Schleg. Im gemeinen Leben sagt man auch von den Geistlichen, welche einen Kranken oder Verurtheilten zum Tode bereiten, daß sie ihm beystehen; oft gebraucht man es auch von den Wehmüttern, welche einer Kindbetterinn Hülfe leisten.

Anm. Bistan, puistan, bigestan, kommt in dieser Bedeutung schon bey dem Notker, Stryker und andern alten Schriftstellern vor. Der absolute Gebrauch dieses Verbi, mit Auslassung der dritten Endung der Personen: ein treuer Freund stehet besser bey, denn ein Bruder, Sprichw. 13, 24, ist im Hochdeutschen eben so ungewöhnlich, als der Gebrauch des einfachen Verbi stehen mit dem Vorworte bey, in der Bedeutung des Helfens: wer stehet bey mir wider die Boshaftigen? Ps. 94, 16. Billig sollte beystehen mit dem Hülfsworte seyn verbunden werden; allein im Hochdeutschen ist das haben fast allgemein, vermuthlich weil beystehen, wirklich eine Thätigkeit ausdruckt, ob es gleich der Form nach ein Neutrum ist.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 991-992.
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