Bis

[1029] Bis, ein Bestimmungswörtchen, welches einen terminum ad quem bezeichnet, und in einer doppelten Gestalt üblich ist.

I. Als ein Umstandswort, welche Gestalt es alsdann hat, wenn der terminus ad quem durch ein einziges Wort, welches entweder ein Haupt- oder auch ein anderes Umstandswort seyn kann, ausgedruckt wird; in welchem erstern Falle es gewissen Präpositionen vorgesetzet wird, und

1. So wohl den Ort bezeichnet, wie weit sich eine Bewegung erstrecket oder erstrecken soll, mit den Vorwörtern an, auf, nach, über, zu u.s.f. Er stand bis an den Hals im Wasser. Das Wasser gehet mir bis an die Kehle. Komm mit mir, bis an das Thor. Er stieg bis auf die oberste Spitze. Bis zu mir.[1029] Bis nach Rom reisen. Den Feind bis über das Gebirge verfolgen, besser über das Gebirge, ohne bis. Ingleichen mit einigen Umstandswörtern, ohne Präposition. Bis hieher, bis an diesen Ort. Bis dahin. Bis wohin soll ich gehen? Bis wie weit wolltest du laufen?

Wenn das Ziel der Bewegung der Nahme eines Landes, einer Stadt, eines Schlosses oder Dorfes ist, so kann das Vorwort nach im gemeinen Leben auch wegbleiben. Er ist nur bis Frankreich gekommen. Ich reise nur bis England. Komm mit mir bis Leipzig. Man verfolgte ihn bis Berlin. Vor andern eigenthümlichen Nahmen aber lässet sich solches nicht thun.

2. Als auch die Zeit, wie weit sich eine Handlung erstrecket, oder erstrecken soll, mit den Präpositionen an, auf, um, gegen u.s.f. Er schlief bis an den Mittag. Wir spielten bis gegen Abend. Ich wachte bis um Mitternacht. Ich träumete bis gegen den Morgen. Bis auf diese Stunde habe ich es noch nicht erfahren können. Bis auf weitern Befehl. Der Kranke hat bis um, oder bis gegen sechs Uhr geschlafen. Ingleichen mit einigen Umstandswörtern ohne Präposition. Bis heut, bis gestern. Warte nur bis morgen. Bis hierher (bis auf diese Zeit) hat der Herr geholfen.

Vor einigen Nahmen der Feste kann das Vorwort gleichfalls weggelassen werden, weil sie als eigenthümliche Nahmen betrachtet werden. Bis Neujahr, bis Pfingsten, bis Ostern, bis Michael u.s.f.

3. Ingleichen die Intension, oder den Grad der Stärke der Handlung, gleichfalls mit einigen Präpositionen. Er ist bis auf den Tod krank, tödtlich krank, sehr krank. Er ist krank bis zum Sterben. Eine Kaltsinnigkeit, die bis zum Abscheue geht. Sie war davon bis zur Bezauberung entzückt.

4. Endlich auch eine ungefähre Zahl, die man nicht genau bezeichnen will, oder kann. Das kostet mir schon funfzig bis sechzig Thaler. Es sind siebzig bis achtzig Häuser abgebrannt. Es sind etwa zehn bis eilf Wochen, zehn oder eilf Wochen.

II. Als ein Bindewort, in welcher Gestalt es seine Bedeutung in nichts ändert, sondern sich nur alsdann den Nahmen eines Bindewortes erwirbet, wenn das Ziel einer Zeit durch ein Verbum oder einen ganzen Satz ausgedruckt wird, in welchem Falle es zugleich diesen Satz mit dem vorigen verbindet, und sein Verbum bis an das Ende der Rede wirft. Warte, bis ich komme. Verspare es so lange, bis sein Zorn vorbey ist. Er war so lange gesund, bis er hierher kam.

Das Bindewörtchen daß dem bis nach zuzugesellen, ist im Hochdeutschen fast völlig veraltet, obgleich diese Wortfügung noch häufig in der Deutschen Bibel vorkommt. So will ich nicht inne halten, bis daß ihre Gerechtigkeit aufgehe, Es. 62, 1; ich will nicht ehe inne halten, als bis ihre Gerechtigkeit aufgegangen ist. Und ihr von ihm nicht schweiget, bis daß Jerusalem gefertiget und gesetzt werde u.s.f. V. 7. Und will das Schwert hinter sie schicken, bis daß es aus mit ihnen sey, Jer, 9, 16.

Wenn in dem Vordersatze ein Comparativ befindlich ist, so kann das als vor dem bis, der gewöhnliche Begleiter der Comparative, auch wegbleiben. Laßt ihn nichts ehe merken, als bis ich, oder bis ich mit dir geredet habe. Lottchen will mir nichts eher sagen, bis Herr Damis wieder kommt, Gell.

Aber wenn der Vordersatz eine Verneinung enthält, auch dem bis eine Verneinung an die Seite zu setzen, wie einige, besonders Obersächsische Schriftsteller zu thun pflegen, ist ohne Zweifel ein Mißbrauch. Es reget keines eher einen Fuß, bis nicht der Knittel hinter drein ist. Er wird sich ohne dieß nicht zur Ehe entschließen, bis er nicht eine hinlängliche Versorgung hat, Gell.[1030]

Anm. Die älteste Gestalt dieser Partikel ist unz, bey dem Ulphilas unt, bey dem Kero unzin, bey dem Übersetzer Isidors untazs, bey dem Ottfried unz, welches in Oberdeutschland, besonders in Baiern, noch zuweilen gehöret wird, und vermuthlich von hinzu zusammen gezogen ist, zumahl da es auch zuweilen hinz lautet. Im Schwed. ist aenda gleichfalls bis. Unser bis ist vermuthlich auf ähnliche Art von bey zu, oder bey das zusammen gesetzet. Bithaz bedeutet bey dem Ottfried bisher. In den spätern Zeiten schrieb man es bitz, bitze, und nachmahls biß, bis man endlich gar den Satz annahm, daß die Partikeln nicht kurz genug geschrieben werden können, da denn unser bis daraus ward.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1029-1031.
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