Blühen

[1085] Blühen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben zu sich nimmt, einen Schein von sich geben, mit einem lebhaften Scheine sichtbar werden.

1. In der weitesten Bedeutung, in welcher man nur noch im gemeinen Leben sagt, eine Person blühe wie eine Rose, wenn sie eine lebhafte, muntere Gesichtsfarbe hat. Auf ähnliche Art sang unter den Schwäbischen Kaisern Herzog Johann von Brabant: Swenne si wellent lachen us bluenden muindelin rot.

Und ein anderer Schwäbischer Dichter lobt an einem Orte die blühende Zucht, d.i. die Schamröthe. Figürlich nennt man auch eine lebhafte, fruchtbare Einbildungskraft, eine blühende Einbildungskraft. Ehedem war dieses Wort in mehrern Fällen üblich. Wenn aber der Aussatz blühet in der Haut, und bedecket die ganze Haut, 3 Mos. 13, 12, ausbricht, zum Vorscheine kommt. 2. In engerer Bedeutung, welche heut zu Tage zugleich die üblichste ist, ist dieses Zeitwort dem Pflanzenreiche eigen, und bedeutet, die zur Erzeugung neuer Pflanzen nöthigen Theile der Befruchtung entwickeln und sichtbar machen, weil die dazu gehörigen Blätter gemeiniglich allerley lebhafte, angenehme Farben haben. 1) Eigentlich. Die Bäume blühen. Wenn das Korn blühen wird. Die Nelken, die Rosen haben noch nicht geblühet. Von dem Blühen des Hopfens ist in einigen Gegenden schöpfen üblich. S. dieses Wort. 2) Figürlich. (a) Das Wasser blühet, wenn sich bey der Sommerwärme ein grünlicher Schlamm auf die Oberfläche still stehender Wasser ansetzet. (b) In den Schmelzhütten blühet das Kupfer, wenn es im Erkalten kleine Bläschen bekommt, welches ein Zeichen seiner Reinigkeit ist. (c) Sich in einem Zustande befinden, von dem man Gutes hoffen kann, in der höhern Schreibart. So wohl von dem Lebensalter des Menschen. Das blühende Alter, die Jugend. Er ist[1085] nicht mehr der blühende Jüngling, den die Gesundheit, die Freude und Lebhaftigkeit überall zu begleiten schienen, von Brawe.


Ein junger, blühender und ehrbegierger Mann,

Weiße.


Als auch von dem Glücke. Jetzt blühet sein Glück, jetzt hat er Gelegenheit sein Glück zu machen. Wer weiß, wo noch mein Glück blühet? (d) Überhaupt, sich im Wohlstande, in den besten Umständen befinden. Die Wissenschaften blühen. Das Land ist glücklich, in welchem die Künste blühen.


Nur in süßer Einsamkeit

Blühet die Zufriedenheit,

Weiße.


Jeder Segen, der mir blüht,

Blüht mir schöner und gedoppelt, wenn ein Böser ihn nicht sieht,

Haged.


Anm. Dieses Wort lautet bey dem Ottfried bluen, blyen, bey dem Notker pluon, bey dem Willeram bluoien und bluouuen, im Nieders. bleuen, bloien, blöggen, im Holl. bloyen, im Angels. blowan, im Engl. to blow. Um die Abstammung dieses Wortes haben sich die Sprachforscher wenig bekümmert. Indessen ist kein Zweifel, daß es nicht zu der großen Familie derjenigen Wörter gehören sollte, welche zu laen, luhen, lugen, Griech. λαειν gehören, und insgesammt den Begriff des Scheinens oder Sichtbar werdens haben, zuweilen aber auch active für sehen gebraucht werden. S. auch Glühen. Bluette bedeutet noch jetzt im Französischen einen Funken. Man kann daher blühen, als das Stammwort ansehen, wovon so wohl blecken und blicken, als auch blöden und bluten bloß Intensiva oder Iterativa sind. S. diese Wörter. Was dieses bestätiget, ist, daß im Oberdeutschen auch Blast und Blust für Blüthe üblich sind, welche Wörter von Blüthe bloß der Mundart nach verschieden sind. S. Antlitz, Blitz und Lassen. Das B ist hier wieder die Partikel be, welche vor den Mitlautern ihr e so gerne wegwirft. Indessen ist dieses b doch schon seht alt, indem es schon in dem Griech. βλυειν, βλυζειν, pullulare, befindlich ist. Im Schwedischen bedeutet blia, active, sehen. Die Blühezeit, die Zeit da die Bäume blühen, ist nur im Oberdeutschen üblich. Im Hochdeutschen sagt man dafür die Blüthzeit, oder Blüthe.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1085-1086.
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