Bruder, der

[1215] Der Bruder, des -s, plur. die Brüder, Diminutivum das Brüderchen, Oberdeutsch Brüderlein. 1. Eigentlich, eine Person männlichen Geschlechtes, welche mit einer andern Person einerley Ältern hat, in Beziehung auf diese Person. Er ist mein Bruder. Ein leiblicher Bruder, ein vollbürtiger Bruder, im gemeinen Leben auch wohl ein rechter Bruder, Nieders. Vullbroder, wenn beyde Ältern einerley sind; im Gegensatze des Stiefbruders und Halbbruders. S. diese Wörter. Es ist zehn Thaler unter Brüdern werth, im gemeinen Leben, es ist vollkommen zehn Thaler werth.

2. In weiterer Bedeutung. 1) Ein Blutsfreund, daher sich Schwäger im gemeinen Leben auch Brüder zu nennen pflegen. In der Deutschen Bibel kommt diese Bedeutung, welche außer dem jetzt angezeigten Falle veraltet ist, noch mehrmahls vor. So werden 1 Mos. 31, 23, 32, 37, unter Jacobs Brüdern; Matth. 12, 46; Marc. 3, 31, u.s.f. unter Christi Brüdern, und Gal. 1, 19, unter Jacob des Herren Bruder, nichts anders als nahe Anverwandte verstanden. 2) In noch weiterer Bedeutung kommt dieses Wort von weitläuftigern Verwandten, so fern sie von einem[1215] gemeinschaftlichen Stammvater abstammen, in der Bibel häufig vor, in welcher Bedeutung es auch zuweilen noch in der höhern Schreibart gebraucht wird, selbst das Verhältniß aller Menschen gegen einander auszudrucken, so fern sie insgesammt von Adam herstammen.

3. Figürlich. 1) Im gemeinen Leben, Personen, die wegen alter gepflogener Freundschaft, oder beym vertraulichen Trunke einander brüderliche Treue zugesagt, und sich daher wie leibliche Brüder du zu nennen pflegen. S. Dutzbruder. 2) Die einerley Art, Stand, Gesinnung mit einander haben, in einerley Verbindung und Gesellschaft leben, in welcher Bedeutung dieses Wort noch häufig gebraucht wird. Daher pflegen sich gekrönte Häupter um der Gleichheit der Würde willen, in ihren Titulaturen Brüder und Schwestern zu nennen. Personen, welche einerley Glauben und Religion haben, werden in der Bibel häufig Brüder genannt, welchen Nahmen sich zuweilen auch diejenigen geben, die in einerley Amte stehen. S. Amsbruder, Glaubensbruder. Auch die Herrenhuther nennen sich unter einander Brüder, und die weiblichen Personen ihrer Kirche Schwestern. S. Brüdergemeinde. Bey verschiedenen Mönchsorden, besonders den Bettelorden, nennen diejenigen, welche nicht eigentliche Geistliche sind, nicht nur sich unter einander Brüder, sondern sie bekommen diesen Nahmen auch von andern außer dem Orden, und in noch weiterer Bedeutung wurden ehedem wohl alle Mönche und Ordensglieder Brüder genannt. Die barmherzigen Brüder. S. Barmherzig. Daher heißen nicht nur in manchen Städten verschiedene Gassen, wegen der ehedem in denselben befindlichen Klöster der Bettelmönche, noch jetzt Brüdergassen; sondern brudern wurde ehedem auch für betteln, Brudermann für einen Bettler, und Bruderfrau für eine Bettelfrau gebraucht. Wenn aber in Niedersachsen brudern noch an einigen Orten schmausen bedeutet, so rühret solches vermuthlich von den Schmausereyen der ehemahligen Kalandsbrüder her. S. Brüderschaft und Gebrüder. 3) Im weitesten Verstande werden zuweilen zwey Dinge, welche einander völlig ähnlich sind, Brüder genannt; daher die Hoden in ältern Schriften diesen Nahmen häufig führen.

Anm. Dieses Wort lautet bey dem Kero Pruader, im Plural Priadra, bey dem Ottfried Bruader, bey dem Willeram Bruoder, im Oberdeutschen noch jetzt Bruader, Bruoder, im Nieders. Broder, Broer, Broor, bey dem Ulphilas Brothr, im Isländ. Brodur, im Schwed. und Dän. Broder, im Irländ. Brutha, im Wallisischen Brawd, im Slavon Bratr, im Angels. und Engl. Brother, bey den Krainerischen Wenden Brat, im Griech.φρατωρ, im Latein. Frater, im Persischen Berader. Bey diesem hohen Alter und weiten Umfange dieses Wortes darf man wohl auf keine weitere Ableitung gedenken; indessen wagt es doch Skinner, es von brüten, Wachter aber von dem Wallisischen Bru, der Bauch, abzuleiten, wie das Griech.αδελφος, von δελφυς, uterus, abstammet. S. auch Braut. Im Oberdeutschen lautet dieses Wort in der zweyten Endung des Brudern, und im Plural die Brüderen. Man hat auch an einigen Orten das Fämininum die Brüderinn, des Bruders Frau auszudrucken.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1215-1216.
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