Dürre

[1619] Dürre, -r, -ste, adj. et adv. aller nöthigen Feuchtigkeit im Innern beraubt, besonders so fern selbiges durch die Wärme geschiehet. 1. Eigentlich, 1) in leidender Bedeutung allein. Dürre, d.i. gedörrete, Feigen, Äpfel, Pflaumen, Blumen, Kräuter u.s.f. Dürres Obst. Der Boden ist bey der langen Hitze außerordentlich dürre geworden. Wie eine Wurzel aus dürrem Erdreiche, Jes. 53, 2. In einem trocknen und dürren Lande, da kein Wasser ist, Ps. 63, 2. Besonders, der zum Leben und Wachsthum nöthigen Feuchtigkeit beraubt. Sieben dürre Ähren, dünne und versengt, 1 Mos. 41, 23. Ein dürrer, verdorreter, Baum. Ein dürres Jahr, ein dürrer Sommer, dem es an aller nöthigen Feuchtigkeit mangelt. Die dürrsten Anger werden bunt, Hall. Einen hohen Grad der dürren Beschaffenheit mancher Körper auszudrucken, gebraucht man im gemeinen Leben auch die zusammen gesetzten Ausdrücke beindürre, knochendürre, scherbendürre, klapperdürre, u.s.f. 2) In leidender und thätiger Bedeutung zugleich, dörrend, dürre machend. Ein dürrer Wind, der nicht nur selbst dürre ist, sondern auch den Erdboden ausdörret. Es kommt ein Wind über dem Gebürg her, Jer. 4, 11. Ein dürrer Ostwind, Jon. 4, 8. 2. Figürlich. 1) Wegen Mangel der nöthigen Feuchtigkeit unfruchtbar. Eine dürre Einöde, 5 Mos. 32, 10. 2) Mager,[1619] mit wenig Fett und Fleisch versehen. Ein dürrer Mensch. 3) Alles Schmuckes beraubt, von Worten, Ausdrücken. Etwas mit dürren Worten sagen, gerade heraus, ohne Umschweife und Einkleidung. Und sagte dürre heraus, 2 Macc. 6, 23. Jemanden die dürre Wahrheit sagen.


Ein Schulfuchs sucht mit dürren Gründen

Den Beyfall aller Welt zu finden,

Haged.


Anm. Dieses Wort, welches den meisten Niedersachsen unbekannt ist, lautet bey dem Ulphilas thaursus, bey dem Ottfried thurr, bey dem Notker durri, in dem Fragmente eines Gedichtes auf Carls des Großen Feldzug bey dem Schilter thuorre, im Angels. dyrre, im Holländ. dorre, im Schwed. torr, im Isländ. thorr. Ursprünglich hat es wohl heiß bedeutet, indem die Dürre eine Wirkung der Hitze ist. Dem Festus zu Folge sagten auch die ältesten Lateiner torrus für dürre, daher man das Latein. torrere, torridus, und das Griech. τειρω, τερρω, trocknen, Θερω, wärmen, aus keiner andern Quelle leiten kann. Selbst im Hebr. ist דיר torruit. S. Trocken. Nach einer sehr gewöhnlichen Verwechselung des s und d, ist aus diesem Worte das Nieders. sor, dürre, saftlos, entstanden. Ein sorer Ast, ein sorer Baum, ein dürrer Ast, ein dürrer Baum. Ein sorer Wind, ein dürrer Wind, der das Land aussoret; woraus einige Hochdeutsche sauer und aussauern gemacht haben. Mit diesem sor und soren kommt das Griech. ξƞραινειν und σειραινειν sehr deutlich überein.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1619-1620.
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