Desto

[1468] Desto, ein Nebenwort, welches allezeit den Comparativen beygesellet wird, und alsdann ihre Bedeutung nach Maßgebung eines vorher gehenden zuweilen auch nachfolgenden Subjectes erhöhet. Ich habe es nicht gewußt, daß sie zugegen waren, desto aufrichtiger ist mein Bekenntniß. Wenn er siehet, daß du ohne[1468] Eigennutz handelst, so wird er dich desto zärtlicher lieben. Gib es mir her, damit ich es desto besser betrachten könne.

Das um ist bey diesem Nebenworte unnöthig, und thut eine unangenehme Wirkung. Ich melde dieses um desto lieber, Gottsch. Dieses ist um desto gewisser, ebend. Das ist schön, daß er nicht schwört; um desto mehr kannst du auf sein Wort bauen, Gell.

Oft beziehet sich das desto auch auf ein vorher gehendes je, welches vermöge der Inversion auch auf dasselbe folgen kann. Je mehr sie sieht, daß meine Absichten ernstlich sind, desto mehr empfinden wir ihre Vergänglichkeit. Je mehr ich ihr von der Liebe vorsage, desto unempfindlicher wird sie, Gell. Je mehr sich die höchste Gewalt der Tyranney nähert, desto mehr schwächt sie sich selbst, und macht sich von ihren Stützen abhängig. Du mußt dir diese Sache desto mehr angelegen seyn lassen, je mehr sie deine Glückseligkeit befördert. Besonders gebraucht man dieses je – dēsto, wenn sich zwey Comparative auf einander beziehen, deren jeder sein eigenes Verbum hat, wie aus den obigen Beyspielen erhellet. Haben beyde Comparative nur Ein gemeinschaftliches Verbum, so kann je auch zwey Mahl stehen. Es wird je länger, je schlimmer. Das Toben deiner Widerwärtigen wird je länger, je größer, Ps. 74, 23. Mit den bösen Menschen aber wirds je länger, je ärger, 2 Tim. 3, 13. Welches auch Statt findet, wenn das Verbum gar verschwiegen wird. Je ärger Schelm, je besser Glück. Ja zuweilen auch, wenn gleich jeder Comparativ sein eigenes Verbum hat. Je mehr ihrer wird, je mehr sie wider mich sündigen, Hof. 4, 7. Je höher du bist, je mehr dich demüthige, Sir. 3, 20. Welches sich allenfalls entschuldigen lässet, wenn die Comparative nahe auf einander folgen.

Aber fehlerhaft ist es, das desto zu verdoppeln. Desto größere Noth, desto nähere Hülfe. Ingleichen wenn entweder das je, oder auch das desto durch um so viel ersetzet wird, welches im Oberdeutschen nicht selten ist. Ich liebe ihn desto zärtlicher, um so viel mehr Ursache er mir dazu gegeben hat; oder ich liebe ihn um so viel zärtlicher, je mehr u.s.f.

Anm. Die erste Hälfte dieses Wortes ist wiederum das verkürzte Pronomen der, für dessen. Man findet diesen Genitiv deß auch nur allein für desto


So mügt er sy schawen deß baß,

Theuerd. Kap. 39.


Auch im Dän. Schwed. und Isländ. stehet des, thes, tha, thess, für desto, obgleich die beyden ersten Sprachen auch desto und thesto, die Isländische aber thess at haben. Gemeiniglich glaubt man, daß to hier das Niedersächsische to, zu, ist; allein die Sache ist so ausgemacht noch nicht. Bey dem Ottfried lautet desto thes thiu, thes thiu mer, thes thiu baz, für desto mehr, desto besser, bey dem Notker desse, bey dem Willeram des de, in dem alten Gedichte auf den heil. Anno desti. Die Alten gebrauchten das Fämin. des Pronominis die, oder vielmehr den Nominat. Plur. oft absolute, wie wir das Neutrum das gebrauchen. Ja bey dem Ottfried ist sogar thiu baz so viel als desto besser. In den gemeinen Mundarten lautet dieses Nebenwort dester. Diejenigen, welche destomehr und destoweniger als Ein Wort schreiben wollen, irren eben so sehr, als wenn man destogrößer, destobehuthsamer u.s.f. schreiben wollte.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1468-1469.
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