Durchtreiben

[1611] Durchtreiben, verb. irreg. act. S. Treiben.

Dúrchtreiben. Ich treibe durch, durchgetrieben. 1) Durch einen Ort oder Raum treiben, d.i. zu gehen zwingen. Ungeachtet der Fluß tief war, so wurde das Vieh dennoch durchgetrieben. Einen Pflock durchtreiben, durch ein Loch. Erbsen durchtreiben, sie zerdrücken und in Gestalt eines Breyes durch den Durchschlag treiben. 2) Figürlich. Eine Sache durchtreiben, seine Absicht dabey, ungeachtet aller Hindernisse, erreichen, sie durchsetzen. Ich hoffe es schon noch durchzutreiben.

Durchtreíben; von welchem nur das Mittelwort durchtrieben üblich ist. 1) * Für durchdrungen; in welcher im Hochdeutschen[1611] unbekannten Bedeutung dieses Wort nur 2 Pet. 2, 14 vorkommt: Haben ein Herz durchtrieben mit Geitz. 2) * Geschickt, geübt, erfahren. Hugo Grotius, dessen Verstand und in allem dem, was Wissenschaft heißt, durchtriebene Geschicklichkeit meines Lobes nicht bedürfend ist, Opitz. Die, welche in der Theologie, Philosophie und Historie nicht allerdings durchtrieben sind, ebend. So bist du in aller Zeiten Historien dermaßen durchtrieben u.s.f. ebend. Der nicht minder in der Gelehrsamkeit als Regierungssachen durchtriebene Herr von Zulichem, Gryph. Auch diese Bedeutung ist im Hochdeutschen fremd, wo man dieses Wort, 3) nur im vertraulichen Umgange und gemeinen Leben für verschlagen, listig, in allen Leichtfertigkeiten erfahren, gebraucht. Ein durchtriebener Gast, ein durchtriebener Schalk, ein durchtriebener Vogel u.s.f. einen verschlagenen, leichtfertigen und listigen Menschen zu bezeichnen. Daher die Durchtriebenheit, welches Wort zuweilen für Verschlagenheit, List gebraucht wird. Das Nieders. bedreven bedeutet so wohl geübt, erfahren, als verschlagen, listig. Das Nieders. dordreven und Dänische durchdreven kommen mit dem Hochdeutschen überein. Dörbakken, dörtagen, durchgezogen, und dörtrappt, eigentlich, der wie ein listiger Fuchs schon manchen Fallstricken entgangen ist, haben bey den Niedersachsen eben dieselbe Bedeutung. Diese haben aber noch ein anderes Wort, eben denselben Begriff auszudrucken, welches drehharig lautet, und im Hochdeutschen gemeiniglich durch dreyhärig gegeben wird. Allein, es scheinet, daß die erste Sylbe vielmehr zu dem Zeitworte drehen als zu dem Zahlworte drey gehöret. Das Hauptwort ein Drehhaar, und das Beywort drehharig, würden alsdann eine buchstäbliche Übersetzung des Latein. intricatus seyn, welches gleichfalls von trica, verwickelte, ungekämmte Haare, abstammet. Das oben gedachte Nieders. dörtagen, verschlagen, listig, bedeutet eigentlich auch verwickelt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1611-1612.
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