Entdecken

[1819] Entdêcken, verb. reg. act. des Daches, der Decke, oder alles dessen, was einem Dinge zur Decke dienet, berauben. 1. Eigentlich, in welcher Bedeutung es im Hochdeutschen nur zuweilen in der höhern Schreibart vorkommt. Es ist alles bloß und entdeckt vor seinen Augen, Ebr. 4, 13. Im Oberdeutschen ist es auch in dem gemeinen Sprachgebrauche nicht selten; denn da sagt man ein Haus, oder ein Dach entdecken, abdecken, an einigen Orten auch entdachen. Einen Topf, ein Glas entdecken, den Deckel wegnehmen, u.s.f. Entblöße den Fuß, entdecke den Schenkel, Es. 47, 2. In Obersachsen gebraucht man es an einigen Orten von dem Abdecken des umgefallenen Viehes, so fern es unbefugter Weise von Personen geschiehet, die von der Polizey nicht dazu berechtiget sind, z.B. von Hirten. In diesem Verstande wird es dem abdecken, welches die dazu berechtigten Personen sich allein anmaßen, entgegen gesetzet. Solche unbefugte Abdecker selbst heißen daher auch Entdecker. 2. Figürlich. 1) Eine unbekannte, vorher nicht empfundene Sache gewahr werden, empfinden, so wohl von allen Sinnen, besonders von dem Sinne des Gesichtes, als auch von den Kräften des Verstandes. Jetzt entdecke ich die Spitze des Thurmes, wenn man sie von weiten erblicket. Je mehr ich die Sache ansehe, desto mehr Vollkommenheiten entdecke ich an derselben. Man wollte die Sache geheim halten; allein sie wurde dennoch entdeckt. Columbus hat eine Menge neuer Länder entdeckt. Entdecken setzt alle Mahl Dinge voraus, die schon da sind, aber noch nicht bemerket waren; erfinden aber Dinge, die noch nicht da sind. Seit dem das Mikroskop erfunden worden, hat man die Samenthierchen entdeckt. 2) Eine verborgene Sache bekannt machen, besonders im Vertrauen bekannt machen. Ich will dir mein Herz entdecken. Einem sein Anliegen, sein Vorhaben entdecken. Man hat ein großes Geheimniß entdeckt. Die Verschwörung wurde der Obrigkeit entdeckt. Die Verschwörer sind noch nicht entdeckt worden. Sich einem Freunde entdecken, ihm sein Anliegen bekannt machen; ingleichen, sich ihm zu erkennen geben.

Daher die Entdeckung, plur. die -en. 1) Die Handlung des Entdeckens, in allen obigen Bedeutungen; ohne Plural. 2) Die entdeckte Sache, in der ersten figürlichen Bedeutung. Eine Entdeckung machen. Hätte ich doch diese unglückliche Entdeckung nie gemacht! In den neuern Zeiten sind in der Naturkunde viele wichtige Entdeckungen gemacht worden.

Anm. Dieses Zeitwort lautet bey dem Kero intdecchan, bey dem Übersetzer Isidors antdecchan, und bey dem Ottfried intheken, und kommt bey ihnen so wohl in der eigentlichen, als figürlichen Bedeutung vor. In dem mittlern Lateine wurde deoperire auf eben die Art gebraucht.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1819.
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