Erwarten

[1951] Erwarten, verb. reg. act. 1. Auf etwas warten. 1) Eigentlich. Eines Ankunft erwarten. Wir erwarten ihn schon seit gestern Abends. Man erwartet ihn mit Schmerzen. 2) Figürlich. (a) Aus Gründen vermuthen, daß eine Person kommen oder eine Sache geschehen werde; hoffen kann auch ohne hinlängliche Gründe Statt finden. Ich erwarte meinen Freund heute Abends. Ich erwarte ihn erst morgen. Man erwartet ihn stündlich. Sie erwartet ihre Niederkunft alle Stunden. Reue, Sorgen, Elend, ist alles was ich empfinde und erwarte. Ich erwarte Briefe. Ich habe nichts Gutes von ihm zu erwarten. Das hätte ich nicht von dir erwartet. Nach einer noch weitern Figur, auch von leblosen Dingen. Die verschlossene Erde erwartet die Rückkehr des Frühlinges. Die Todten erwarten in ihren Gräbern den Tag der Auferstehung. (b) In Beziehung auf die Bereitschaft, worin man ist, dasjenige, was man erwartet, zu empfangen. Den Feind unerschrocken, festen Fußes erwarten. Er mag kommen, ich erwarte ihn, nehmlich ohne Furcht. Den Tod mit Standhaftigkeit erwarten. Voll Gram erwarten wir den Tod. (c) Wollen, daß etwas geschehe, ein etwas gemilderter Ausdruck für das härtere fordern, befehlen. Ich erwarte von dir Gehorsam. Ich erwarte, daß du mir gehorchest. Ich erwarte die schuldige Summe noch diesen Abend. In allen diesen Fällen wird dieses Wort im Oberdeutschen auch mit der zweyten Endung der Sache verbunden. Ich will deiner hier erwarten. Man erwartet seiner mit Schmerzen. 2. So lange warten, bis eine Person kommt, oder eine Sache geschiehet. Endlich habe ich ihn doch erwartet. Ich will es noch wohl erwarten. Ja wer es erwarten könnte! Kannst du es nicht erwarten? Man muß die Zeit erwarten. Erwarte das Ende. Auch hier ist im Oberdeutschen die zweyte Endung gebräuchlich. Erwarte der Zeit, Can. Daß er der Hoffnung erwarte, Klagel. 3, 29. Ich will des Gottes meines Heils erwarten, Mich. 7, 7.

So auch die Erwartung, in allen obigen Fällen. Es geschahe wider alle Erwartung, Vermuthung. In Erwartung dessen. In Erwartung der Ehre deiner Ankunft. Das thut meiner Erwartung keine Genüge. Meine Erwartung ist von dir nicht erfüllet worden. Wie sehr hast du meine Erwartung übertroffen! Kleine Gefälligkeiten für große Erwartungen verkaufen.

Anm. In einigen Niedersächsischen Gegenden ist für erwarten noch verwachten üblich. Bey dem Ottfried bedeutet iruuarten observare.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1951.
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