Fügen

[339] Fügen, verb. reg. welches in gedoppelter Gattung üblich ist.

I. Als ein Activum, geschickt mit einander verbinden.

1. Eigentlich, wo dieses Wort im eigentlichsten Verstande diejenige Art der Verbindung bezeichnet, wo ein Theil des einen Körpers genau in den andern hinein gesteckt wird. Die Breter sind nicht recht gefügt. In etwas weiterer Bedeutung ist dieses Wort ein allgemeiner Ausdruck, der die Art und Weise der Verbindung unbestimmt läßt. Zwey Breter zusammen fügen, sie entweder zusammen leimen, oder vermittelst einer Nuth mit einander verbinden. Fünf Teppiche sollt du an einander fügen, und sechse auch an einander, 2 Mos. 26, 9. Und fügte die Teppiche mit den Häklein einen an den andern zusammen, Kap. 36, 13. Wir baueten die Mauern, und fügten sie ganz an einander bis an die halbe Höhe, Nehem. 4, 6. Die Faßdauben fügen, bey den Böttchern, sie zusammen fügen. Im gemeinen Leben bedienet man sich, wenn die Art und Weise der Verbindung genauer bestimmt werden soll, anderer Ausdrücke.

2. Figürlich. 1) Hinzu fügen, absichtlich und mit Überlegung hinzu thun oder setzen. Ich habe zu der vorigen Summe noch zehn Thaler hinzu gefüget. Besonders von dem Zusatze einer Rede. Er fügte noch hinzu, u.s.f. er setzte noch[339] hinzu. S. Anfügen, Beyfügen. 2) Sich ziemen, sich schicken, den Umständen oder dem Wohlstande gemäß seyn, als ein Reciprocum, eine im Hochdeutschen ziemlich unbekannte Bedeutung. Das füget sich nicht, ziemet, schickt sich nicht. Im Westphälischen ist sich fuken, im eigentlichen Verstande passen. S. Fug. 3) Sich in etwas fügen, sich darein schicken, allen Umständen mit Leichtigkeit gemäß denken und handeln. Er weiß sich in alles zu fügen. Nach einer noch weitern Figur auch von leblosen Dingen. Eine biegsame Stimme, die sich in alle Wendungen der Melodie leicht zu fügen weiß. 4) * Lenken, regieren; eine veraltete Bedeutung.


Ouch der kurzwile spil

Mit ir zuht si fuegen kan,

Burkh. von Hohenfels.


5) Anordnen, eine Sache nach ihren Umständen geschickt einrichten, veranstalten.


Minne, suessiu fuegerinne,

Du fuege das min werde rat,

Heinr. von Sar.


In diesem Verstande wird es im Hochdeutschen nur noch von Gott gebraucht, da in andern Fällen verfügen üblicher ist. Wie es Gott fügen wird. Gott fügt alles weislich. S. Fügung. Von Menschen ist es nur noch in der größten Theils Oberdeutschen R. A üblich, einem etwas zu wissen fügen, es ihm zu wissen thun, veranstalten, daß er es erfahre. Ingleichen 6) veranstaltet werden, nach gewissen Gesetzen geschehen, als ein Reciprocum, sich fügen. Ob es so hat gefuiget sih, ob es so geschehen sey, die Winsbeckinn. Es gefueget sih vielleicht also, Stryk.


Es fuegt sich oft auf einen Tag,

Das u.s.f.

Theuerd. Kap. 76.


Gesetzt, daß sich das einmahl so fügen würde. Zum Glück fügte sichs, daß diesen Abend niemand kam. Hier kannst du inne werden, wie in der Welt sich alles billig fügt, Gell. 7) * Sich an einen Ort begeben, als ein Reciprocum; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, wofür jetzt verfügen üblicher ist. Sih ther ander tho gifuah, wie billig für gif nah gelesen wird, da begab sich der andere dahin, Ottfr. B. 5, Kap. 5, V. 19.


Mich eylends zu euch fuegen her,

Theuerd.


Da fügt er sich zum Helden dar,

Theuerd. Kap. 80.


So fueg dich

Von stund an und on allen verzug

Auf die hohen platten,

Theuerd. Kap. 47.


8) * Thun, machen; eine meist veraltete Bedeutung. Einem Leid fügen, Reinmar der Alte, für zufügen. Doch sagt man noch: Wir fügen euch hiermit zu wissen.

II. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. 1. Einem fügen, ihm zu Willen seyn, ihm nachgeben, sein Verlangen erfüllen, wo es auch häufig fugen lautet. Der Wind fügte uns, war uns günstig. Ich wil ev gerne fugen das, Stryk. Ich will dir gern in allem fügen. Einem in seinem Begehren fugen. Man kann ihm hierin nicht fugen.


Sie wußte freylich wohl,

Wie sehr man oft den Kindern fugen soll,

Haged.


2. Nützlich seyn, zum Nutzen gereichen, als ein Impersonale; ein im Hochdeutschen seltener Gebrauch. Es fugt oder fügt mir, es gereicht zu meinem Nutzen. Es fueget der armen sin, es ist seinen Armen nützlich, Winsbeck.


Du hast fast alles angewendet

Was deiner Liebe fugt,

Neukirch.


Anm. Im Niedersächs. lautet dieses Wort in der eigentlichen und den meisten figürlichen Bedeutungen fögen, im Oberd. fugen, bey dem Ottfr. gifuagan, bey dem Willeram voigen und [340] viogen, im Angels. gefegan, im Schwed. foga, im Dän. foye, und in der zweyten figürlichen Bedeutung im Engl. to fadge. Da der Begriff des Einsteckens allem Ansehen nach der erste und eigentlichste in diesem Worte ist, so gehöret es ohne Zweifel zu dem Latein figere, dem Griech. πƞγειν, und dem Altlatein. pagere, woraus nachmahls pangere geworden. Bey den Schwäbischen Dichtern bedeutet Fügerinn eine Mittelsperson in der Liebe, so wohl im guten Verstande, als auch im nachtheiligen, eine Kupplerinn.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 339-341.
Lizenz:
Faksimiles:
339 | 340 | 341
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Buchempfehlung

Neukirch, Benjamin

Gedichte und Satiren

Gedichte und Satiren

»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.

162 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon